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Warum die Demokratie gefährdet ist und was wir als Schüler*innen tun können

Als Alumna von «Jugend debattiert» engagiert sich Gastautorin Hafsa Tageldin für eine respektvolle Debattenkultur. Sie ist überzeugt: Ihre Generation kann dazu beitragen, die Polarisierung zu überwinden und die Demokratie zu schützen. 

10. November 2025

Das Wort Demokratie ist selbstverständlich in unserem Vokabular und unserem Alltag, sodass es auch sehr schnell Schlagzeilen macht: «Trump höhlt Demokratie aus – Experten warnen vor Folgen» oder «Studie: Jugendliche sind unzufriedener mit Demokratie - und weniger an Politik interessiert.» Was zeigt das uns? Das zeigt uns, dass ein hohes Gut unserer Gesellschaft bedroht wird, und wir diesem entgegenstehen müssen. Aber was sind die Mittel dagegen, besonders für uns Schüler*innen?

Was ist Demokratie?

Doch um wirklich handeln zu können, müssen wir erläutern können, was die Demokratie wirklich ist. Demokratie ist mehr als nur die Möglichkeit, wählen zu können. Es ist das Recht sich gegen die Regierung positionieren zu dürfen und seine Meinung laut auszusprechen, ohne Angst zu haben, dass die eigene Freiheit eingegrenzt wird. Es ist das Recht, offen mit und gegen andere(n) zu diskutieren. Aber die Wichtigkeit, einen gemeinsamen Nenner zu finden wird oftmals unterschätzt, denn die Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Seiten zu finden, ist der einzige Weg wie die Politik seit Jahrhunderten funktioniert.

Demokratie ist mehr als nur die Möglichkeit, wählen zu können. Es ist das Recht sich gegen die Regierung positionieren zu dürfen und seine Meinung laut auszusprechen, ohne Angst zu haben, dass die eigene Freiheit eingegrenzt wird.

Die Demokratie muss auf Dialog basieren, sowie wir es in Ländern wie Deutschland sehen, wo der Bundestag auf Koalitionen, also Bündnisse angewiesen ist. Damit Gesetze überhaupt beschlossen werden können, müssen Parteien zusammenarbeiten und einen Mittelweg finden, der für alle tragbar ist. Aber was passiert, wenn eine Seite ausgeschlossen wird? Wenn ein grosser Teil der Bevölkerung zum Schweigen gebracht wird? Die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei AfD, die bei den Bundestagswahlen die Stimmen von einem Fünftel des Stimmvolkes erlangen konnte, hat in der Koalition keinen Platz gefunden. Ist die Repräsentation von Millionen von Menschen hier einfach ausgeblendet? Ist das undemokratisch oder doch nur zum Wohle der Gesamtgesellschaft?

Zwischen Streit und Verständnis

Aber ein grosses Problem und eine als Gefahr gesehene Bedrohung für die Demokratie ist nun einmal, wie sich diese Debattenkultur entwickelt. Heutzutage wird der Fokus in politischen Diskussionen immer auf die Gegensätze aller Seiten gesetzt. Alles, was die andere Seite falsch gemacht hat, woran sie nicht gedacht haben und was sie alles zerstört haben. Es scheint so, als ob die Mitte immer mehr vernachlässigt wird und die Debatten immer mehr in die weite rechte und linke Spalte verschoben werden. Das sind schliesslich die Debatten die letztendlich unterhaltend sind, oder? Die starke Polarisierung lässt sich in vielen Ländern der Welt zeigen, Deutschland, Grossbritannien, aber natürlich, und auch am präsentesten in den Medien, in den Vereinigten Staaten.

Politik als Unterhaltung?

Als «Politische Unterhaltung» würde ich die Debattenkultur in den Staaten beschreiben. Ich muss immer sofort an Videos des YouTube Channels «Jubilee» denken. Dieser Kanal organisiert Debatten zwischen gegensätzlichen Seiten, um Konversationen zu eröffnen. Die grundsätzlich gute Idee, die in Theorie Personen zu einem «Middle Ground» bringen soll, wie die Show heisst, muss ich aber stark kritisieren. Produktive politische Debatten sollen bildend sein, und einem etwas über ein Thema beibringen. «Jubilee» gibt mir den Eindruck, als ob sie Streit provozieren, Clips suchen, die viral gehen sollen, um mehr Klicks zu bekommen, und vor allem aber nicht das Ziel verfolgen, tatsächlich einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Produktive politische Debatten sollen bildend sein, und einem etwas über ein Thema beibringen.

Faktenchecks gibt es nur im Nachhinein, es gibt keine Intervention, wenn die Grenzen einer respektvollen Debatte überschritten werden und auch die Gruppendynamiken, die sich auf beiden Seiten entwickeln, repräsentieren nur die Extreme der Seiten. Menschen sind oftmals einem extremen Herdentrieb unterlegen, der sicherlich vor laufenden Kameras nur stärker wird. Eigene Meinungen werden von derselben Seite nur unterstrichen und unterstützt, und die andere Seite deshalb umso stärker ausgegrenzt und abgestossen. 

Schweizer Diskurs unter der Lupe

Im September 2025 hatte ich die Chance eine SRF-Arena besuchen zu dürfen und eine politische Diskussion persönlich erleben zu können. Die SRF-Arena ist ein Format des Schweizer Fernsehens, eine Diskussionssendung, in der Expert*innen und Politiker*innen über aktuelle Themen debattieren. Sie soll den Zuschauer*innen auf produktive Weise helfen, ein eigenes Urteil zu bilden. Ich durfte während den Polistagen, einem Programm am MNG Rämibühl, welches Schüler*innen politische Aktivität und Teilhabe nahelegen soll, die Debatte zum Thema «Demokratie in Gefahr?» besuchen – als Vorbereitung, um eine eigene Debatte am MNG zu planen.

Doch diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass sich auch in der Schweiz der politische Diskurs langsam verändert. Er wirkt emotionalisiert, oberflächlich und auch polarisierend, fast so wie in den sozialen Medien.

Diese Arena hat mich tatsächlich ein wenig stutzig gemacht, und auch stark enttäuscht. Statt produktivem Dialog kamen persönliche Angriffe und Blossstellung. Am Ende der Arena wusste ich nicht einmal, was genau diskutiert wurde. Ich möchte hiermit nicht verallgemeinern und sagen, dass alle Debatten in der Schweiz so ablaufen. Nein, im Gegenteil, ich habe auch viele Arena-Debatten schauen können bei denen auch gelacht werden konnte und ich viel dazulernen konnte. Doch diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass sich auch in der Schweiz der politische Diskurs langsam verändert. Er wirkt emotionalisiert, oberflächlich und auch polarisierend, fast so wie in den sozialen Medien.

Demokratie üben

Das erste Mal, dass ich mit dem Thema Debattieren in Kontakt kam, war im Schulunterricht mit dem Projekt «Jugend debattiert». Der Nervenkitzel und die intensive Auseinandersetzung mit einem politischen Thema, sei es zum Thema Naturschutz, Digitalisierung oder auch Wahlen, weckten mein Interesse sehr schnell. Dass man sich in eine Position hineinversetzen muss, mit der man vielleicht nicht übereinstimmt, hilft nicht nur beim empathischen Verständnis für andere, sondern auch dabei, sich eine abgewogene Meinung bilden zu können. Nachdem ich das Schul- und Regionalfinale gewonnen habe, durfte ich am Nationalfinale teilnehmen und dort unglaublich viele Schüler*innen kennenlernen, die beeindruckend klug, reflektiert und politisch interessiert sind. Diese Begegnungen haben mir gezeigt, wie viel Potenzial in unserer Generation steckt, wenn junge Menschen die Möglichkeit bekommen, sich ernsthaft mit Politik auseinandersetzen und respektvoll zu diskutieren. Heute bin ich Alumni von «Jugend debattiert» und möchte andere Schüler*innen dabei unterstützen, selbstbewusst ihre Meinung zu vertreten und mit unterschiedlichen Perspektiven in Kontakt zu kommen. Debattieren ist nicht nur ein Wettbewerb, sondern eine Übung darin, wie wir als Gesellschaft miteinander reden und gemeinsam Lösungen finden.

Diese Begegnungen haben mir gezeigt, wie viel Potenzial in unserer Generation steckt, wenn junge Menschen die Möglichkeit bekommen, sich ernsthaft mit Politik auseinandersetzen und respektvoll zu diskutieren.

Wenn wir als Schüler*innen lernen, kritisch zu denken, zuzuhören und respektvoll zu diskutieren, schützen wir das Fundament unserer Demokratie. Politik darf kein Wettstreit der Lautesten sein, sondern ein Dialog der Denkenden. Wir sind die Generation, die entscheiden kann, ob Spaltung wächst oder ob wir Brücken bauen. Und genau da beginnt gelebte Demokratie.