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Vom Gymi an die Hochschule – drei Wege

Nicolas Huber, Zerda Koyuncu und Flurina Waldner haben uns von ihren Wegen vom Gymi an die Hochschule erzählt. Ihre Erfahrungen zeigen: Der Übergang vom Gymi an die Hochschule verläuft oft nicht geradlinig, sondern ist ein Prozess.

22. Dezember 2025

Für viele Mittelschülerinnen und Mittelschüler ist die Zeit nach der Matur ein Sprung ins Unbekannte. Manche wissen zwar genau, wohin sie wollen, kennen aber den Weg dahin nicht. Andere tasten sich vor und merken erst unterwegs, was wirklich zu ihnen passt. Und wieder andere brauchen erst einmal Abstand, bevor sie eine Entscheidung treffen können.

Nicolas Huber, Zerda Koyuncu und Flurina Waldner haben uns erzählt, welchen Weg sie gegangen sind und was sie dabei gelernt haben. Nicolas hat sich nach zwei Zwischenjahren für Maschinenbau an der ETH entschieden, Zerda brach ihr Physikstudium an der EPFL ab und studiert nun Geografie an der Uni Bern, Flurina wird mit Geschichte und Biologie an der Uni Zürich ihren vielen Interessen gerecht. 

Die Entscheidung fürs Studium

Nicolas wusste schon vor zehn Jahren, dass er einmal an der ETH studieren möchte – aber nicht, welches Fach. Trotz seiner Begeisterung für Technik wählte er im Gymi das neusprachliche Profil mit Englisch und Italienisch. Damals hatte er noch Mühe mit den MINT-Fächern.  

Nach der Matur liebäugelte er mit einem Informatikstudium und arbeitete während seines Zwischenjahres mehrere Monate als Softwareentwickler. In dieser Zeit wurde ihm klar, dass das Studium der Informatik nichts für ihn war und er schrieb sich für Elektrotechnik an der ETH ein. Doch kurz vor Studienbeginn merkte er, dass ihn auch das zu wenig packte und er legte ein zweites Zwischenjahr ein. In dieser Zeit arbeitete er im selbstgegründeten Start-up und als Flugbegleiter. Gleichzeitig entschied er sich für ein Studium in Maschinenbau, das er nun gestartet hat. Für ihn war es die vielseitigste Option an der ETH. «Es ist eine Generalistenausbildung», sagt der 20-Jährige.

Ganz anders war der Start ins Studium für Zerda. Sie absolvierte das MNG mit Fokus auf Physik, was zu ihren Lieblingsfächern im Gymi gehörte. Es schien logisch, dieses Interesse im Studium zu vertiefen. Sie schrieb sich an der EPFL für Physik ein – und merkte schnell, dass die Faszination für das Fach weniger gross ist als gedacht. Der hohe Mathe  und Beweisfokus sowie der Druck brachten sie an ihre mentalen und körperlichen Grenzen. Noch vor den Zwischenprüfungen entschied sie sich, das Studium abzubrechen. Der Entscheid für ein neues Studienfach brauchte noch einmal Zeit: Nach einer Pause studiert sie nun seit diesem Herbst Geografie an der Uni Bern und fühlt sich dort pudelwohl.

Bei Flurina waren es ihre vielfältigen Interessen, die den Entscheid für ein Studienfach prägten. Für sie war schon während des Gymis klar, dass die Uni zu ihr passt, doch lange wusste sie nicht, welches Fach sie wählen sollte. Geschichte, Philosophie, Griechisch oder doch Biologie? Sie besuchte Infotage, sprach mit befreundeten Studierenden und entschied sich bewusst für zwei sehr verschiedene Fächer – Geschichte und Biologie –, um Abwechslung zu haben und sich auch die Möglichkeit des höheren Lehramts offen zu lassen.

Was alle drei sagen: Es lohnt sich, sich zu informieren über Möglichkeiten, Studiengänge und das Leben an der Hochschule. Sei dies über Infotage, Besuche oder Freund*innen, die bereits studieren.

Zwischenjahre und Zeit für Reflexion

Zwischenjahre spielten bei allen drei eine wichtige Rolle. Sie nutzen diese für Reisen und Arbeit, und um sich zu orientieren und selber besser kennenzulernen.

Nicolas sieht es als Vorteil, dass er zwei Jahre Pause hatte zwischen Mittel- und Hochschule, er profitiert im Studium von den gemachten Erfahrungen. «Ich wusste, was Stress bedeutet, ich wusste, wie man sich selber organisiert», bringt er es auf den Punkt.

Auch für Flurina war das Zwischenjahr wichtig. Sie reiste, arbeitete und informierte sich über verschiedene Studienfächer, bevor sie festlegte.

Zerda absolvierte nach der Matur Sprachkurse in Paris und Izmir, arbeitete in der Jugendarbeit und war als Skilehrerin in Zermatt tätig. Es gefiel ihr, von zu Hause wegzugehen und Neues zu erleben. Unter anderem deshalb entschied sie sich für das Studium in Lausanne. Der Studienabbruch belastete sie sehr und sie empfand es als Scheitern. Um Abstand zu bekommen, arbeitete sie Anfang des Jahres noch einmal als Skilehrerin ein und fand so den notwendigen Abstand zur Uni-Bubble.

Erst mit dieser Distanz wurde für sie sichtbar, in welche Richtung es weitergehen soll. Sie erinnert sich: «Ich merkte, dass ich studieren will und dass die Naturwissenschaften zu mir passen. Doch es sollte nicht so monothematisch sein wie Physik. So kam ich auf Geografie, die auch viele sozialwissenschaftliche Elemente aufweist.» 

Hohes Tempo und neue Strukturen

Heute fühlen sich alle drei wohl mit ihrer Studienwahl. Die Mittelschule habe sie gut vorbereitet auf die Hochschule, sowohl fachlich als auch überfachlich. Dennoch betonen alle drei, dass es viele Unterschiede zwischen den beiden Bildungsorten gibt.

Flurina schildert die Selbstorganisation als zentralen Unterschied zur Schule: «An der Uni muss man sich alles selber zusammensuchen, man muss sich selber motivieren und seine Zeit gut einteilen.» Auch das soziale Gefüge verändert sich: «Es gibt keine Klasse mehr. Auch wenn man seine Klassenkamerad*innen am Gymi nicht alle mochte, war man doch in eine Gemeinschaft eingebunden.»

Nicolas beschreibt es so: «Am Gymi muss man sich an den Stundenplan halten und es wird erwartet, dass man präsent ist. An der ETH hast du mit Vorlesungen, Übungen und Hausaufgaben schnell eine 50-Stunden-Woche – da musst du lernen, zu schwänzen.» Auch er weist darauf hin, dass es an der Hochschule keine so enge Betreuung mehr gäbe wie an der Mittelschule und dass das Tempo der Stoffvermittlung hoch sei.

Trotz aller Unterschiede sagen alle drei, wie sehr ihnen das Gymi in grundlegenden Kompetenzen geholfen hat – sei es beim wissenschaftlichen Arbeiten, bei Lernstrategien oder beim Umgang mit komplexen Texten. «Ich habe im Gymi gelernt, wie man lernt», sagt Zerda. Nicolas sieht es ähnlich: «Fachlich ist es völlig egal, welches Profil du machst – das baut man an der Hochschule zuerst wieder auf.» Flurina fügt hinzu, dass sie viele Kompetenzen, die sie sich an der Kanti aneignen konnte, im Studium einsetzen könne: Quellen lesen, Kontext verstehen, sich in Kulturen eindenken, verschieden Perspektiven einnehmen. 

Rückblick und Ratschläge

Nicolas, Zerda und Flurina sind unterschiedliche Wege gegangen, haben aber ähnliche Erfahrungen gemacht. Sie heben hervor, dass es ok und wichtig ist, sich Zeit zu nehmen für die Entscheidung für ein Studienfach.

Ihrem früheren Gymi-Ich würden Flurina raten, sich keinen Stress zu machen. «Man darf ein Studium wählen, das einen interessiert. Und wenn es nicht passt, dann wechselt man. Ob man mit 25 oder 27 abschliesst, spielt keine Rolle.» Ihr sei aber auch bewusst, dass das aus finanziellen Gründen nicht für alle möglich ist.

Auch Zerda findet es wichtig, einen Studienwechsel nicht als Scheitern, sondern als Lernschritt zu betrachten. «Ich dachte früher, dass man drei Jahre Bachelor macht, dann zwei Jahre Master und dann ins Berufsleben startet. Aber das ist für fast niemanden Realität.» Und ein Studium müsse wirklich zu einem passen, nicht nur fachlich, sondern auch dazu, wie man als Mensch tickt.

«Aus der Retrospektive sieht alles geplant aus», sagt Nicolas, «aber es war ein Ausprobieren.» Er bereut es nicht, dass er sich zwei Jahre Zeit liess bevor er an die ETH ging. Die gemachten Erfahrungen helfen ihm heute.