Lass uns eine Zeitung machen! Schüler*innenzeitungen an Zürcher Mittelschulen

Sie heissen KUSS, KENzeichen oder Nordpool, erscheinen ein paar Mal im Jahr oder unregelmässig, blicken auf eine lange Geschichte zurück oder wurden erst gerade erfunden. Die Rede ist von Schüler*innenzeitungen. Wir stellen zwei davon vor.

6. März 2024

Schüler*innenzeitungen gibt es an vielen Zürcher Mittelschulen, doch Aussenstehende wissen kaum etwas über sie. Im Netz ist wenig zu finden über die Zeitungen und Magazine, und wenn, dann sind die Infos bisweilen dürftig oder veraltet.

Wir haben uns auf die Suche gemacht und zwei Zeitungen aufgespürt, die auf den ersten Blick ganz unterschiedlich sind: Die eine gibt es seit den 1960ern, die andere ist rund ein Jahr alt. Und doch haben sie einige Gemeinsamkeiten.

Der Dinosaurier – der KUSS der KZO

Mehr als sechzig Jahre hat die Schüler*innenzeitung der KZO, der KUSS, schon auf dem Buckel. Seit seinen Anfängen habe sich der KUSS stark verändert, erzählt Andreas Fannin, Deutschlehrer an der KZO, der kürzlich ins Archiv hinabstieg und sich eine Ausgabe aus den 70ern zu Gemüte führte.

Damals seien die Texte lang und mitunter stark politisch gefärbt gewesen, erzählt Fannin, heute finde man eher kurze Beiträge in der Zeitung. Fannin ist seit zwei Jahren Co-Leiter des Freifachs, in dessen Rahmen der KUSS entsteht, und bedauert diese Entwicklung. «Früher waren die Schülerzeitungen stärker als heute ein Instrument der Demokratisierung der Schulen», meint er. Das sei bei manchen Artikeln und Publikationen immer noch der Fall, ergänzt er, der Zeitgeist und die Rahmenbedingungen hätten sich aber verändert. Da sei auch der KUSS keine Ausnahme.

Das Küken – die Zeitung des MNG Rämibühl

Das demokratische Element und eine gewisse politische gefärbte Rolle – das ist auch Zerda Koyuncu wichtig, wenn es um Schüler*innenzeitungen geht. Die junge Frau hat 2023 die Matura am MNG Rämibühl gemacht und als Maturitätsarbeit eine Schüler*innenzeitung für das MNG gegründet.

Es war ihr erklärtes Ziel, ein Medium zu gestalten, das Gespräche anregt in der Schule. Im Theorieteil ihrer Maturitätsarbeit setzte sich Zerda Koyuncu mit der Rolle der Medien in der Gesellschaft auseinander und wollte mit der Zeitung ein Gefäss schaffen, in dem die Schüler*innen den politischen Diskurs sozusagen im Kleinen, im Vertrauten, üben können.

Vielfältige Aufgaben für engagierte Jugendliche

Der KUSS erscheint halbjährlich und wird im Rahmen des Freifachs, das Andreas Fannin zusammen mit Hanspeter Siegfried leitet, erstellt. Jeweils am Freitagabend treffen sich die beiden mit den Schüler*innen, die die Redaktion bilden. Organisieren, schreiben, redigieren, gestalten – die Aufgaben der Redaktion sind vielfältig und setzen einiges an Engagement voraus. Es seien typischerweise starke und interessierte Schüler*innen, die das Freifach besuchen, erzählt Fannin. «Wer verbringt denn schon seinen Freitagabend mit zwei Lehrern im Schulzimmer?», schmunzelt er. «Das sind Leute, die gerne sitzen, denken und schreiben.»

Auch Zerda Koyuncu berichtet von den zahlreichen Aufgaben, die so eine Zeitung mit sich bringt. Im Rahmen ihrer Maturitätsarbeit trommelte sie eine Gruppe zusammen, die die Gründungsredaktion der neuen Zeitung des MNG bildete. Besonders die Finanzierung war für die Jugendlichen eine Herausforderung. «Es stellten sich die gleichen Fragen wie bei den grossen Medien», erinnert sich die junge Frau. «Wie unabhängig bleiben wir, wenn bestimmte Kreise uns finanzieren?»

Unterhaltung oder Diskurs?

An der KZO wie am MNG werden die Inhalte der Schüler*innenzeitung durch die schreibenden Jugendlichen bestimmt. Es finden sich Berichte über Unterrichtsprojekte, Schulfeste und Exkursionen darin, Kochrezepte und Kuss-Fotos, aber auch Texte zur WEGM und zur Drogenpolitik, zu Antifeminismus und zur Frage, weshalb manche Jugendliche Angst haben, sich im Unterricht zu melden.

Für Andreas Fannin, der sich mehr der letztgenannten Texte wünscht, ist es manchmal eine Gratwanderung, wie viel er bei der Themenfindung mitreden soll. Er will den Jugendlichen die Freiheit lassen, Dinge auszuprobieren, hat aber auch den Anspruch, die Schüler*innen dabei zu begleiten, komplexe Themen schreibend zu ergründen. Auch Zerda Koyuncu schreibt in ihrer Maturitätsarbeit, dass sie die Schüler*innenzeitung nicht lediglich als lustige Unterhaltung sieht.

Und doch ist für Andreas Fannin und Zerda Koyuncu klar: Eine Schüler*innenzeitung muss das Produkt der Jugendlichen sein. Dann wird sie gerne gemacht und gelesen und kann sich weiterentwickeln. Im besten Fall über mehrere Jahrzehnte hinweg, so wie der KUSS. Oder wie die Zeitung des MNG, die seit Zerda Koyuncus Matur im letzten Sommer von engagierten Schüler*innen übernommen und weiterbetrieben wurde.