Dieser Beitrag erschien in:

Nathi geht viral

Nathistyle heisst in richtig Nathalie. Sie wohnt im Zürcher Oberland, zuhause aber ist sie in den sozialen Medien. Hier gibt die 19-Jährige mächtig Gas – als Mundart-Youtuberin. Noch ein paar Monate bis zur Matur, dann macht sie sich selbstständig. 

2. April 2021

Seit rund vier Jahren ist die Kantonsschule Zürich Oberland ihr Lebensmittelpunkt, zumindest ihr realer. Hier hat sich Nathalie das Rüstzeug geholt für alles, was kommen wird. «Ich habe mich in all den Jahren an der KZO weiterentwickelt, bin reifer und selbstbewusster geworden», sagt sie. «Vor allem aber habe ich einen grossen Koffer mit Bildung mit auf den Weg bekommen, der mir auf meiner Reise sehr nützlich sein wird.» Den ersten Halt macht sie im Internet. Was danach kommt, ist völlig offen.

Wie wird frau Youtuberin?

Von ungefähr kommt es nicht, dass Nathalie kein Zwischenjahr einlegt und danach ein Studium beginnt. Ein bisschen anders hat sie schon immer getickt. Vielleicht, weil die Mutter immer mit einer Kamera durch die Gegend lief und mit der ganzen Familie Clips und Filme drehte. Vielleicht aber auch, weil es ihr immer riesig Spass machte, ihre Lebensfreude mit anderen zu teilen. Und dann entdeckte sie die unendlichen Möglichkeiten von Youtube, später von Instagram und zuletzt von Tiktok. «Wir Jungen sind mit den sozialen Medien gross geworden», sagt Nathalie, «sie gehören zu unserem Leben wie der Spiegel zum Ei.»

Vor drei Jahren, genau gesagt am 15. Februar 2018, hat Nathalie ihr erstes Video hochgeladen. Unter dem Namen Nathistyle hat sie es seitdem weit gebracht. Woche für Woche postet sie ein neues Video. Gut zwei Stunden dauert der Take, acht weitere der Schnitt. Wie macht sie das nur, mitten in der Vorbereitung für die Maturitätsprüfungen? «Klar, der Druck ist da», sagt sie, «aber erstens ist das Posten ein toller Ausgleich, und zweitens mache ich nichts lieber.»

Der Spass an der Freude ist bei Nathi mit Händen greifbar. Eine junge Frau, die gerne lacht, sich gerne mitteilt und bestens damit klarkommt, sich vor einer Kamera in Szene zu setzen. Wer sich ihre Posts ansieht, taucht ein in eine Welt voller Witz und Tiefgang. Mal albert sie mit einer Freundin herum und beantwortet Fragen, die sehr persönlich sind. Mal spricht sie über Themen wie Liebe, Sex oder Unsicherheiten im Umgang mit dem eigenen Körper, worauf Teenager achten sollten und was daran problematisch sein könnte. Und das genau im richtigen Ton. Nicht wertend, nicht belehrend, sondern frisch von der Leber weg.

Likes und Followers

Nathi kommt sympathisch rüber, und das ist ihr Kapital, wenn sie im Sommer alles auf die Karte Social Media setzt. Unzählige Likes und immer mehr Follower sind der Lohn ihrer täglichen Arbeit. Zurzeit steht sie bei 27’200 Followers auf Youtube, 20’500 auf Instagram und 72’800 auf Tiktok, Tendenz stark zunehmend. Die Leute mögen sie – und erkennen sie mittlerweile auch auf der Strasse. «Mich freut das immer», sagt Nathalie lachend, «ausser den doofen Sprüchen, die manchmal kommen. Aber damit kann ich gut umgehen.»

Karriere auf vielen Kanälen

Vor gut zwei Jahren kam die Anfrage, ob sie Interesse hätte, sich für Youngbulanz, den Instagram-Kanal von SRF, casten zu lassen. Dieser liefert dreimal wöchentlich neue Videos zu Themen aus der Lebenswelt von 13- bis 17-Jährigen. Das Casting verlief erfolgreich, und jetzt produziert sie auch journalistische Clips und Videos für diese Plattform, zu Themen wie Einsamkeit, Schlaf, Ängste, Teenagerschwangerschaft, Selbstverletzung oder Rassismus. Dabei wirkt alles so spontan und natürlich, als würde sie sich keine Sekunde darauf vorbereiten.

Mittlerweile hat Nathi auch eine Connection zu Radio SRF3. Hier ist sie seit kurzem im Generationen-Duell «Alt gegen Jung» zu hören, wo sie sich mit dem 45-jährigen Moderator Philippe Gerber fremde Wörter um die Ohren schlägt. Total witzig anzusehen, wie sich die Generationen nicht mehr verstehen. Ghettoblaster, Minidisc, Dial-up oder Wurlitzer? Hoffnungslos gestern. Dann schon eher no front, as fuck, fresh oder Ehrenmann. Und ganz wichtig: Smashen hat rein gar nichts mit Volleyball zu tun.

Früh übt sich

Begonnen hat Nathi ihre «Karriere» bereits mit zehn, als sie mit ihrem iPod Touch auf ganz anderem Level herumexperimentierte und erste Gehversuche wagte. Dann folgten erste Videos mit der Kamera der Mutter, in denen sie ihre Weihnachtsgeschenke vorstellte oder Haartipps gab, und das alles auf Hochdeutsch, weil man Schweizer Youtuber*innen damals noch an einer Hand abzählen konnte. «Voll peinlich, denke ich manchmal, wenn ich das anschaue», sagt sie, «aber lustig war’s trotzdem.»

Die Kunst besteht auch in den sozialen Medien darin, das Schwierige leicht aussehen zu lassen. Das scheint für Nathi kein Problem zu sein. «Ich fühlte mich schon immer wohl vor der Kamera», sagt sie, «ich habe auch ein paar Jahre im Kindertheater mitgespielt, und natürlich kommt mir auch zugut, dass ich eher extrovertiert bin und die Leute gerne unterhalte.»

Immer neue Ideen

Ganz egal, was Nathi postet, wie viele Videos sie produziert und wie viele Clips sie hochlädt: Die Ideen dürfen ihr nicht ausgehen. Denn die Medien-Maschine will gefüttert sein – immer wieder neu, anders, überraschend. «Das ist nicht immer einfach», sagt Nathalie, «aber wenn man einmal im Flow ist, kommen die Ideen von alleine.»

Wie ist das eigentlich, wenn man so aktiv auf Social Media unterwegs ist? Gibt es einen Bruch zwischen dem realen Leben und der virtuellen Welt, lebt man im Hier und Jetzt, oder ist man ganz dort? Nathi sieht darin kein Problem: «Ich empfinde das nicht als Bruch. Wir Jungen sind so vertraut mit all diesen Medien, dass sie einfach zu unserem Leben gehören. Alles fliesst zusammen, wir können gut damit umgehen.»

Und wie steht’s mit Konkurrenz? «Am Anfang habe ich das viel mehr gespürt. Das war damals schon ein harter Kampf. Ich hatte den Vorteil, dass es damals, als ich anfing, in der Schweiz noch fast keine weiblichen Youtuberinnen gab. So konnte ich viel leichter eine Marktlücke finden. Da habe ich sicher ein paar böse Nachrichten erhalten und viel Neid gespürt. Heute ist das zum Glück ganz anders. Viele von meinen Freund*innen machen dasselbe wie ich, und wir unterstützen uns voll. Wir empfehlen uns gegenseitig auch weiter, wenn einer zum Beispiel eine Werbeanfrage erhält und findet, die andere könne das besser.»

Lockruf der Werbung

Das Wichtigste für eine Influencerin wie Nathi ist Glaubwürdigkeit oder, auf gut Deutsch, Credibility. «Auch wenn ich für Werbung angefragt werde», sagt sie, «sehe ich mich nie als Objekt, das einfach ausführt. Was ich mache, gestalte ich immer mit. Schliesslich will ich die Leute auch bei Werbeaufträgen unterhalten und selber Spass daran haben. Sonst kommt garantiert nichts Gescheites raus. Ich muss einfach hinter dem stehen können, was ich mache. Deshalb mache ich auch nur Werbung für Produkte, die mir selber gefallen. Zum Beispiel für Burger King, die jetzt einen Vegi-Burger lanciert haben. Für mich als Vegetarierin war das ein Match. Den würde ich auch empfehlen, wenn ich kein Geld dafür bekäme.»

Und so kommt das Unternehmen Nathistyle langsam ins Rollen. Mit garantiert eigenem Content – und mit der ganzen Unbekümmertheit einer jungen Frau, der alle Türen offenstehen. Jetzt die Matur, dann der Sprung ins kalte Wasser, und vielleicht später: Studium, Moderation, Fernsehen. Kommt gut.