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Das Gegenteil von Frontalunterricht

Die Lehrperson an der Wandtafel, die Schüler*innen hören mehr oder minder interessiert zu – so stellt man sich Schule oft vor. Das entspricht aber nur manchmal der Realität: Mit interdisziplinärem, projektorientiertem und selbst organisiertem Lernen halten neue Unterrichtsformen Einzug.

25. Januar 2022

Auf dem Stundenplan stehen nacheinander Deutsch, Geografie und Mathe. Unterrichtet werden diese Fächer in funktional eingerichteten Zimmern, in denen die Lehrperson doziert und die Schüler*innen den Lernstoff konsumieren. Das ist das Bild des klassischen Frontalunterrichts an einer Mittelschule.

Wer sich den Unterricht an den Zürcher MIttelschulen so vorstellt, der liegt in vielen Fällen weit daneben. Natürlich, auch diese Art des Unterrichts gibt es. Was aber immer öfter in Konzepten und Stundenplänen auftaucht, sind Sondergefässe, die darauf abzielen, neue Lehr- und Lernformen zu praktizieren.

Ich organisiere mich, also bin ich

Macht man sich auf die Suche nach diesen innovativen Formaten, so begegnet man bald  der Abkürzung «SOL». Sie steht für «selbst organisiertes Lernen» und stellt überfachliche Kompetenzen wie Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenzen in den Vordergrund. Die Schüler*innen lernen eigenverantwortlich und gestalten Vorbereitung, Planung, Durchführung und Evaluation von Projekten selbstständig. Die Lehrpersonen unterstützen sie, haben aber im Rahmen dieser Unterrichtsform eher die Funktion eines Coaches als einer Dozentin.

Mittlerweile hat jede Schule ein SOL-Konzept. Die konkrete Umsetzung der SOL-Angebote unterscheidet sich jedoch von Schule zu Schule, von Klassenstufe zu Klassenstufe, von Semester zu Semester.

Frei in der Gestaltung, aber nicht freiwillig

Neben SOL gibt es auch weitere Formate, die sich selbst organisiertes, projektorientiertes und kooperatives Lernen auf die Fahne geschrieben haben. Genannt seien hier Projektwochen, Praktika, interdisziplinärer Unterricht und Angebote, die sich irgendwo dazwischen verorten lassen.

Allen gemeinsam ist, dass sie zum «normalen» Unterricht dazu gehören. Sie sind also nicht zu verwechseln mit den Freifächern, in denen sich engagiert, wer Zeit und Lust hat. Dort spielen die Schüler*innen zum Beispiel das Kartenspiel Magic, bringen Asylsuchenden Deutsch bei oder finden ihr Glück auf der Theaterbühne.

Ein Einblick in die wunderbare Welt von SOL, PIK, NaTech & Co.

Die folgende, nicht abschliessende Liste zeigt, wie diese Unterrichtsformen in der Praxis aussehen können.

  • An der Kantonsschule Hohe Promenade gibt es je nach Alter und Stufe unterschiedliche SOL-Angebote. So befassen sich die Drittklässler*innen in der Biologie beispielsweise mit Amphibien, eignen sich das nötige Wissen selbstständig an und prüfen es dann mit einem Online-Tool. Die Viertklässler*innen engagieren sich im Projekt «Printmedien» und stellen ihre Ergebnisse an einer Schlussveranstaltung im Plenum vor.
  • An der Kantonsschule Freudenberg taucht neben dem SOL eine weitere Abkürzung auf: PIK. Dieses Kürzel steht für «Projektorientierte Interdisziplinäre Kurse» und ist eine Spezialität des Gymnasiums Freudenberg. Die Kurse werden im Teamteaching von zwei Lehrpersonen unterrichtet und ermöglichen den Schüler*innen einen mehrdimensionalen Zugang zu einem Thema.
  • Interdisziplinär geht es auch an der Kantonsschule Büelrain in Winterthur zu und her. Seit 2015 gibt es dort das Fach NaTech, das Naturwissenschaften und Technik vereint. Die sieben Module bieten einen interdisziplinären Querschnitt durch die verschiedenen naturwissenschaftlichen und technischen Fächer und haben alle einen Alltagsbezug, eine gesellschaftliche Relevanz oder einen medizinischen Bezug.
  • An der Kantonsschule Uetikon am See findet am stundenplanfreien KUE-Dienstag der Unterricht teilweise  losgelöst vom Stundenplan statt. Stattdessen arbeiten die Schüler*innen alleine oder in Gruppen an einem Projekt. Dieses kann auch fächerübergreifend sein. Einblick in diese Projekte gibt es auf der Website der Schule.
  • An der Kantonsschule Enge können sich  die Schüler*innen für sogenannte Projektkurse einschreiben. Diese sind klassenübergreifend, interdisziplinär und prozessorientiert gestaltet. 3D-Drucken, Integrationsarbeit und Molekularküche – das sind drei der Kurse, die im Herbstsemester 2021/2022 angeboten wurden.
  • Die Schüler*innen der Kantonsschule Zürcher Unterland kehren der Schule gar ganz den Rücken. Zumindest für zwei Wochen. Sie absolvieren während dieser Zeit ein Praktikum in einem Betrieb und tauchen in die Arbeitswelt ein.
  • Und an ihrer Fast-Namensvetterin, der Kantonsschule Zürcher Oberland, gingen im Frühlingssemester 2021 der Deutsch- und der Biologie-Unterricht eine Liaison ein. Als Nachwuchsforschende stellten die Schüler*innen Fragen, die bislang von der Wissenschaft kaum beleuchtet wurden. Worauf laufen Igel am liebsten? Pflegen Rehe Freundschaften? Strebt der Molch zum Licht? Ihre Ergebnisse präsentierten sie auf einem Blog und so war auch der Deutsch-Teil inkludiert.