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«YES, ich gründe ein Unternehmen!»

Das Thema Entrepreneurship ist an der Kanti Hottingen allgegenwärtig. Um das unternehmerische Denken und Handeln stärker zu fördern, setzt sie im Rahmen des wirtschaftlich-rechtlichen Profils voll auf die Praxis und bietet ihren Schüler*innen die Möglichkeit, eigene Miniunternehmungen zu gründen.

5. Mai 2020

Begonnen hat alles im Jahr 2011. Damals entschied sich die Schulleitung, den Akzent Entrepreneurship einzuführen. Ihr Ziel war es, die Theorie mit der Praxis zu verknüpfen und die Schüler*innen gleichsam ins kalte Wasser zu werfen. Sie sollten am eigenen Leib erfahren, wie Wirtschaft funktioniert und was es alles braucht, um ein Unternehmen zu gründen. Leiter des Projekts war von Anfang an Beda Riklin. Er kam 2008 als Lehrer für Wirtschaft und Recht an die Schule und erkannte bald, wie spannend und lebendig handlungsorientierter Unterricht sein kann, wenn man geeignete Rahmenbedingungen dafür schafft. Damit stand er am Anfang einer Entwicklung, die bis heute weite Kreise gezogen hat.

Von der Pflicht zur Kür

Stell dir vor, du bist siebzehn und gründest ein Unternehmen. Im Unterricht hast du die Basics mitbekommen. Du weisst: Eine zündende Idee muss her, ein anständiger Businessplan, und natürlich musst du dir überlegen, wo du die Rohstoffe beschaffst, wer produzieren soll und wie viele Leute es dazu braucht. Hinzu kommen weitere Faktoren: Einkaufspreis, Endpreis, Marge, Gewinn.

Jetzt kannst du zeigen, ob du das Unternehmertum im Blut hast. Bald wirst du merken, dass dir das Grundwissen nur dann etwas nützt, wenn du es richtig umsetzt. Vor allem aber wirst du erkennen, dass es letztlich ganz andere Eigenschaften sind, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden: Leistungsmotivation, Eigeninitiative, Problemlösungsfähigkeit, Kreativität, Teamfähigkeit, Risikobeurteilung und Kommunikationstalent.

Überfachliche Kompetenzen als Schlüssel zum Erfolg

«Der Akzent Entrepreneurship ist für uns alle eine Inspiration», bestätigt Beda Riklin. «Die Schüler*innen schlüpfen mit grosser Begeisterung in ihre neue Rolle als CEO, CFO, CTO und was es sonst noch alles gibt, und wir Lehrpersonen können nur staunen, wie viel Freude, Kreativität und Fingerspitzengefühl dabei im Spiel ist. Das Eintauchen in die Praxis setzt ungeahnte Energien frei und macht Lust auf mehr. Genau so haben wir es uns vorgestellt und erhofft.»

Zurzeit ist Hottingen noch die einzige Kantonsschule, die den Akzent Entrepreneurship anbietet. Das Interesse ist so gross, dass sie damit pro Jahrgang eine bis zwei Klassen führt. «Die Nachfrage ist stetig hoch», sagt Beda Riklin, «wohl auch deshalb, weil wir sehr gutes Feedback bekommen. So hat eine Umfrage kürzlich ergeben, dass über 80 Prozent aller Schüler*innen, die unseren Akzent besucht haben, sehr zufrieden waren und das Programm sofort wiederwählen würden.»

Hottingen setzt Akzente

Der Akzent Entrepreneurship dauert vier ganze Schuljahre und besteht aus vier Jahresakzenten, von denen drei in Projektwochen stattfinden. Zudem stehen total acht Praxisakzente auf dem Programm – einer pro Semester. Hier können die Schüler*innen ihr theoretisches Wirtschaftswissen direkt in die Realität umsetzen. Der Höhepunkt des Akzents Entrepreneurship ist in der dritten Klasse des Kurzgymnasiums die Gründung einer Miniunternehmung, die ihre Produkte am realen Markt verkauft. Zur Wahl steht als Alternative auch ein Unternehmenspraktikum, das insgesamt 160 Stunden dauert.

Besonderen Wert legen Beda Riklin und das Hottinger Wirtschaftslehrer*innen-Team dabei auf die ethische Komponente einer Unternehmensgründung. «Wir erwarten von unseren Schüler*innen, dass sie sich schon bei der Ideenfindung intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Schliesslich wollen wir nicht nur die Handlungskompetenz fördern, sondern vor allem auch Projekte unterstützen, die einen gesellschaftlichen Nutzen haben. Ein Blick auf die vielen tollen Mini-Start-ups zeigt, wie viel Verantwortungsbewusstsein, Fantasie und Originalität in unserer Jugend steckt.» (siehe Box).

So geht Business

Ein weiterer Ansporn, eine eigene Geschäftsidee zum Fliegen zu bringen, ist die Zusammenarbeit mit der Organisation Young Enterprise Switzerland (YES). Diese bietet den Jungunternehmer*innen im Rahmen ihres Company Programme eine Plattform, um an nationalen und internationalen Wettbewerben teilzunehmen oder sich gar für die Wirtschafts-Olympiade zu bewerben. Mit ihrem Engagement trägt YES die Ideen der nächsten Generation in die Welt hinaus – und unterstreicht damit die Innovationskraft und Nachhaltigkeit der Schweizer Start-up-Szene.

Die Idee der Miniunternehmung hat eingeschlagen. «Wir sind zwar immer noch die einzigen, die den Akzent Entrepreneurship anbieten», erklärt Beda Riklin. «Das Modul Miniunternehmung setzen aber immer mehr Schulen in der ganzen Schweiz ein. Allein im Kanton Zürich machen die Kantonsschulen Zürich Nord, Zürcher Unterland, Büelrain, Enge, die Hull School und bald auch die Kanti Uster bei YES mit.»

Wie gut unsere Schulen in Sachen Wirtschaft aufgestellt sind, zeigen die vielen Preise, die regelmässig in den Kanton Zürich gehen. So entscheidet 2017 die Hottinger Miniunternehmung Smartbottle den Schweizer Jungunternehmerwettbewerb für sich und vertritt die Schweiz am Europäischen Finale in Brüssel. 2018 tut es ihr die Hottinger Miniunternehmung Züri Pasta gleich und reist ans Europäische Finale nach Brüssel. Im gleichen Jahr wird die Kantonsschule Hottingen als «The Entrepreneurial School of the Year 2018» international ausgezeichnet. Und 2019 gewinnen drei Schüler*innen der Kantonsschulen Büelrain und Zürich Nord die Goldmedaille an der Wirtschafts-Olympiade und sichern sich damit das Ticket für den internationalen Wettbewerb in St. Petersburg.

Inspiration gefällig? 

Sprützig

Holunder, Apfel, Quitte, Pfefferminze: Das sind die Ingredienzen für den Zürcher Sommerdrink 2018, der in vielen Bars und Restaurants hoch im Kurs steht. «Sprützig» heisst das Erfrischungsgetränk, das seinem Namen alle Ehre macht. Eine gesunde Alternative zu Cola, Sprite & Co. – mit viel Liebe, aber ganz ohne Industriezucker hergestellt.

Sea Clear

Mit dem Start-up Sea Clear steigen vier junge Frauen ins Rennen. Ihr Ziel: den Verbrauch von Plastik senken und Spenden sammeln für die Reinigung der Ozeane. Sie entwickeln einen robusten Baumwoll-Beutel zum Einkaufen und unterstützen damit die Organisation The Ocean Cleanup. Das nächste Projekt: eine Art Tupperware aus Bambus.

Züri Pasta

Urdinkel-Teigwaren in verschiedenen Geschmacksrichtungen – made in Zurich. Darauf muss erst mal einer kommen. Oder genauer gesagt: vier. Es war ein weiter Weg, bis das Team um Kai Vogt die richtigen Mischungen für seine Variationen Peperoncino, Spinat und Safran fand. Er hat sich gelohnt: Die Bandnudeln von Züri Pasta sind ein Gedicht.

L’Or Occulte

Kosmetikprodukte aus Marokko, hergestellt von einer Frauenkooperative mit Ölen aus Argannüssen. Mit dieser Idee kommen die Jungunternehmerinnen Assia Mrani und Lara Simola aus ihren Ferien in Nordafrika zurück. Und gründen mit ihren Klassenkollegen das Start-up L’Or Occulte, das für Nachhaltigkeit und fairen Handel steht und das traditionelle Kleingewerbe unterstützt.

Smartbottle

Fünf Schüler und eine Schülerin lancieren die intelligente Trinkwasserflasche Smartbottle. Das Spezielle daran: Sie hat einen Filterbehälter, der sich mit Kräutern und Früchten füllen lässt, was dem Wasser ein fruchtiges Aroma verleiht. Und der aufgedruckte QR-Code zeigt an, an welchem Brunnen in der Stadt Zürich Wasser nachgefüllt werden kann.