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NaTech-Unterricht für mehr Interesse an Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften

Seit 2015 findet an der Kantonsschule Büelrain Winterthur der obligatorische NaTech-Unterricht für Erstklässler*innen des Kurzzeitgymnasiums statt. Die Biologie- und NaTech-Lehrerin Christina Nef gibt Einblick in die Lerninhalte und die didaktischen Besonderheiten des Fachs.

1. September 2021

Im Mai 2013 legte der Bildungsrat mit Beschluss fest, wie die Stärkung von Naturwissenschaft und Technik an den Mittelschulen im Kanton Zürich konkret umzusetzen sei. Das Ziel dahinter: Mehr Schüler*innen für diese Fächer begeistern und langfristig den Fachkräftemangel in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) in der Schweiz beheben. «Für uns war klar: Wir nutzen die Gunst der Stunde!», sagt Christina Nef, Biologielehrerin an der Kantonsschule Büelrain Winterthur (KBW). Zusammen mit den Naturwissenschaftslehrpersonen und dem damaligen Rektor Cornel Jacquemart entwickelte sie das Fach NaTech, das Naturwissenschaften und Technik vereint. Seit 2015 wird es an der KBW unterrichtet; unter anderem von Nef selbst.

Positive Erfahrungen ermöglichen

Die Ausgangslage für die MINT-Förderung an der KBW sei etwas speziell, sagt Christina Nef, die seit 2008 an der Schule unterrichtet. Denn: «Wir sind ein reines Wirtschaftsgymnasium. Die Schüler*innen, die zu uns kommen, haben sich also aktiv gegen einen MINT-Schwerpunkt entschieden. Darum war für uns klar, dass wir einen obligatorischen Naturwissenschafts- und Technik-Unterricht für die Erstklässler*innen des Kurzzeitgymnasiums machen.»

Ziel des NaTech-Unterrichts sei es, allfällig vorhandene Animositäten gegenüber den Naturwissenschaften abzubauen, die Schüler*innen möglichst stark zu motivieren, sie in ihren Kompetenzen zu bestärken und ihnen positive Erfahrungen zu ermöglichen. Da das Vorwissen der Schüler*innen aus dem Untergymnasium und denjenigen aus der Sekundarschule teils recht unterschiedlich ist, haben sie in selbstorganisierten Lerngruppen oft die Möglichkeit, aus verschiedenen Schwierigkeitsstufen die für sie passende Aufgabe auszuwählen.

Zeit und Raum zum Experimentieren

«Der NaTech-Unterricht erlaubt es, wirklich naturwissenschaftlich zu arbeiten, statt wie im normalen Unterricht einfach Fakten aus den Naturwissenschaften zu vermitteln», fährt Nef fort. Die grossen Nachmittagsblöcke à drei bis vier Lektionen finden in Halbklassen mit maximal vierzehn Schüler*innen statt. Das ermöglicht es, externe Lernorte aufzusuchen, Messwerte zu erheben, diese zeitnahe auszuwerten, zu besprechen und zu präsentieren. Das freut auch die Schüler*innen. «Ich finde gut, dass wir manchmal auch draussen waren», sagt etwa der 16-jährige Lenas.

Die Biodiversität mit eigenen Projekten fördern

Die sieben NaTech-Module bieten einen interdisziplinären Querschnitt durch die verschiedenen naturwissenschaftlichen und technischen Fächer und haben alle einen Alltagsbezug, eine gesellschaftliche Relevanz oder einen medizinischen Bezug. Dies spricht vermehrt auch junge Frauen an. «Ziel ist ein entdeckendes Lernen mit Hands-on-Aktivitäten und nicht ein ‹Nachkochen von Kochrezepten›», betont Christina Nef. «Wir experimentieren mit Mikroorganismen, messen die radioaktive Strahlung in Brunnenwasser oder im eigenen Keller und interpretieren die Ergebnisse, programmieren den Mikroprozessor namens Arduino, lösen mit chemischen Mitteln einen Kriminalfall oder untersuchen Grünflächen in der Stadt auf ihre Biodiversität und leiten daraus ab, wie man diese biodiverser machen könnte.»

Letzteres Modul kam besonders gut bei den Schüler*innen an. «Vor allem das praktische Arbeiten war ein Highlight für mich; damit meine ich die Experimente oder das Mithelfen beim Biodiversitäts-Projekt», sagt der 15-jährige Nils. Im Rahmen des Biodiversitäts-Moduls haben die Schüler*innen unter anderem aus Totholz eine Käferburg gebaut und eine Rasenfläche zu einer Kiesfläche umgewandelt. Denn: «Ein Kiesplatz, der humus- und somit mineralstoffarm ist, ist sehr förderlich für die Biodiversität», erklärt Nef. Dieses Projekt wird auch der 16-jährigen Xenia noch lange in Erinnerung bleiben: «Dies war ein Modul, das für die Gesellschaft wichtig ist, und wir konnten auch selbst etwas gegen die Zerstörung der Biodiversität tun.»

Geschlechtergetrennter Unterricht

Eine weitere Besonderheit von NaTech ist, dass der Unterricht monoedukativ stattfindet. Das bedeutet, dass Mädchen und Jungen, wenn möglich, getrennt unterrichtet werden. «Die Literatur hat gezeigt, dass so verhindert wird, dass Mädchen in ihre typischen Geschlechterrollen zurückfallen und das Experimentieren den Jungen überlassen», so Christina Nef. Die Mädchen sollten stattdessen in ihrer Selbstkompetenz gefördert werden.

Nef ist überzeugt, dass in unserer heutigen Lebenswelt eine naturwissenschaftliche Allgemeinbildung einen immer wichtigeren Stellenwert einnimmt: «Mit Corona haben wir leider ein unglaubliches Beispiel dafür. Man sollte ein Verständnis haben von Testgenauigkeit, der Aussagekraft der Tests und von den Statistiken, die man jeden Tag vorgesetzt bekommt. Ebenso machen die Digitalisierung und Automatisierung unserer Gesellschaft ein grundlegendes naturwissenschaftliches Verständnis immer wichtiger.»