Dieser Beitrag erschien in:

Die Talentspäher von Schweizer Jugend forscht

Die Geschichte von Schweizer Jugend forscht ist fast so alt wie der Autor, der sie erzählt. Vor 53 Jahren stellten sich die ersten Jugendlichen einem Wettbewerb, der im Lauf der Zeit zu einem wichtigen Anlass für Nachwuchsförderung geworden ist – und für viele Teilnehmende ein Sprungbrett in eine wissenschaftliche Karriere.

19. Juni 2020

Wenn die Natur zu neuem Leben erwacht, schwärmen sie aus. Durchforsten das Gehölz der Bildungslandschaft, streifen durch Ausstellungen, nehmen Witterung auf und entdecken mit geübtem Blick versteckte Schätze und verborgene Talente. Meist sind sie in Gruppen unterwegs, die Expert*innen von Schweizer Jugend forscht – immer auf der Suche nach Jugendlichen mit einem besonderen Flair für Forschung, Wissenschaft und Technik.

Eine ihrer Fundgruben ist die Zürcher Ausstellung ausgezeichneter Maturitätsarbeiten, die auch dieses Jahr reiche Beute versprach: Nicht weniger als 20 von 54 Arbeiten erhielten eine Einladung zum Nationalen Wettbewerb von Schweizer Jugend forscht.

Die Idee dem Wettbewerb stellen

«Über alle Kulturen und Zeitalter hinweg wurde der Lebensweg als Heldenreise erzählt», sagt Ralph Eichler, Präsident des Stiftungsrates. «Ein Held ist jemand, der etwas bewegen und bewirken kann, der sich Herausforderungen stellt.» Genau darum geht es Schweizer Jugend forscht: Die Stiftung will Jugendliche motivieren, eine eigene Idee zu realisieren und sich damit dem Wettbewerb zu stellen.

Dazu braucht es viel Mut. Wer eine Idee nicht für sich behält, sondern der Öffentlichkeit präsentiert und sich damit dem Urteil von Expert*innen aussetzt, geht immer auch das Risiko des Scheiterns ein. Die gemachten Erfahrungen aber sind durch nichts zu ersetzen. Sehr oft weisen sie die Richtung für den künftigen Berufs- und Lebensweg.

Oliver Knill hat an der ETH Zürich Mathematik studiert und unterrichtet seit 2000 an der Harvard University. Er erinnert sich: «Die Teilnahme am Wettbewerb von SJf war eine Weichenstellung. Das Projekt zeigte mir, dass ich Freude an der Mathematik habe, auch unabhängig von Erfolg. Das hat sich bis heute nicht geändert und gab mir auch später Kraft.» Und weiter: «Das Herumexperimentieren ist mir immer ein Bedürfnis geblieben. Als junger Forscher hatte ich mich natürlich auch überschätzt. Die Bewertungen durch die Expert*innen haben mich auf den Boden gebracht. Es mag paradox klingen, aber zu viel Ermutigung kann auch schaden. Erwartungen können oft nicht erfüllt werden, auch akademische nicht. Deshalb halte ich mich heute an die Formel: Glück ist Erreichtes minus Erwartung.»

Eigene Ideen umsetzen

Der Nationale Wettbewerb ist das Herzstück von Schweizer Jugend forscht. Das jährliche Preisausschreiben bietet Jugendlichen eine Plattform, um innovative Arbeiten mit wissenschaftlichen Fragestellungen einzureichen. Generationen von jungen Menschen haben dies getan. Mit ihrer Neugierde, ihrem Tatendrang und ihrer Experimentierfreudigkeit haben sie dem Wettbewerb einen besonderen Glanz verliehen – und sorgen mit immer neuen, innovativen Ideen dafür, dass dies noch lange so bleiben wird.  

Der Nationale Wettbewerb geniesst in der Bevölkerung hohes Ansehen. Dies ist nicht zuletzt das Verdienst der strengen Teilnahmebedingungen, die eine effektive Talentförderung erst möglich machen. Leiter der Wettbewerbskommission war bis vor kurzem Francis Kuhlen, der dazu Stellung nimmt: «Unser Auswahlverfahren basiert auf einem mehrstufigen Prozess. Nach einer Vorselektion laden wir die Jugendlichen zu einem Workshop ein. Hier beraten Fachcoaches die Jugendlichen, wie sie ihre Arbeiten sinnvoll ergänzen könnten. Danach folgen der eigentliche Wettbewerb und die Beurteilung der Projekte. Dass wir mit diesem Verfahren richtig liegen, beweist der Erfolg unserer Jugendlichen an internationalen Wettbewerben.»

Rund 2500 Arbeiten wurden bisher ausgestellt. Gemeinsam ist ihnen die stetige Aktualität der behandelten Themen – und manchmal sind die Arbeiten ihrer Zeit sogar voraus:

  • 1969 befasste sich Jürg Meier mit dem «Antrieb eines elektrischen Automobils». Trotz der vielen Vorteile des Elektromotors sah er die langsame Entwicklung von Elektroautos richtig voraus: «Man darf also keine Wunder erwarten [...] wann das Elektroauto wirklich etabliert sein wird – nun, man wird wohl vorher schon auf dem Mars landen.»
  • 1992 betrieb Martin Gyger in seinem Projekt für das Berner Spiegel-Quartier einen Vorgänger von Social-Media-Plattformen: «Zwei Teilnehmer können sich auf dem Bildschirm [...] zu einem ‹Schwatz› treffen. [...] Durch das Informations- und Kommunikationssystem werden wertvolle menschliche Beziehungen geknüpft.»
  • Im gleichen Jahr befasste sich Karin Isler auf grundlegender Ebene «mit dem hochaktuellen Forschungsgebiet» der neuronalen Netzwerke als Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz.

Bildergalerie: Nationaler Wettbewerb 2019

Das International Swiss Talent Forum

Der Nationale Wettbewerb gibt den Jugendlichen Vertrauen in ihre Fähigkeiten, motiviert sie zum Weiterforschen und bietet ihnen die Möglichkeit, Gleichgesinnte kennenzulernen. Dadurch entstehen Freundschaften und Kontakte, die das anschliessende Studium bereichern und überdauern können. Gleichzeitig eröffnet der Wettbewerb den Jugendlichen auch spannende Türen zu internationalen Events oder zum International Swiss Talent Forum (ISTF).

Das ISTF ist eine einzigartige Veranstaltung in Europa. Es wurde 2009 lanciert und ist Teil der höchsten Stufe in der Förderstrategie von Schweizer Jugend forscht. Jedes Jahr treffen sich hier rund 70 besonders motivierte Jugendliche im Alter von 18 bis 22 Jahren, die in ihren Heimatländern als Gewinner*innen aus einem wissenschaftlichen Wettbewerb hervorgegangen sind. Während vier Tagen setzen sie sich gemeinsam mit globalen und langfristigen Herausforderungen unserer Zeit auseinander. Dabei lernen sie, wie komplexe Fragestellungen angegangen werden.

Das Besondere am International Swiss Talent Forum ist das Zusammenkommen von Jugendlichen und Expert*innen. Die Unbekümmertheit, Unkonventionalität und Unvoreingenommenheit der Jugend trifft auf die Erfahrung und den Sachverstand gestandener Fachleute, was allen am Prozess Beteiligten neue Perspektiven eröffnet. Vertieft werden aber nicht nur fachliche Kompetenzen: Auch «Soft Skills» wie Teamfähigkeit, Führungsverhalten, Verhandlungsgeschick, Kommunikationstechniken oder strategisches Denken stehen am Swiss Talent Forum im Zentrum.

Positive Erfahrungen fürs Leben

André Kudelski ist heute CEO der Kudelski Group, einem weltweit tätigen Unternehmen, das sich auf die Sicherheit und Verschlüsselung von digitalen Anwendungen wie Bezahlfernsehen, Apps oder Zutrittssysteme für Stadien und Skilifte spezialisiert hat. Das Swiss Talent Forum hat er nicht miterlebt, aber die Begegnung mit Schweizer Jugend forscht war für den damals 16-Jährigen wegweisend. «Bei meinem Projekt versuchte ich, die Passagierströme im öffentlichen Verkehr zu messen. Ich wollte wissen, wie viele Leute bei einer Zugstation ein- und aussteigen.»

So ging eine Idee auf Reisen, die heute hochaktuell ist, in den 1970er Jahren der Zeit aber weit voraus war. Realisiert wurde sie nie – aber Kudelski blickt dennoch zufrieden auf seine Zeit mit Schweizer Jugend forscht zurück: «Im Leben muss man immer auf die positiven Erfahrungen aufbauen. Das Negative schmeisst man am besten weg und vergisst es. Sonst häuft man über die Jahre nur unnötiges Gepäck an.»

Bildergalerie: International Swiss Talent Forum 2019

Stimmen zu Schweizer Jugend forscht

«Forschung und Innovation sind die Grundlage für den zukünftigen Erfolg von Roche. Darum wollen wir junge Talente in der Schweiz für die faszinierende Welt der Wissenschaft
begeistern.»
Annette Luther, Roche Diagnostics International

«Das Institut für Geistiges Eigentum fördert Innovation. Es unterstützt die Stiftung SJf, weil diese innovatives Denken bei jungen Menschen fördert und somit einen wichtigen Beitrag zum Wissens- und Werkplatz Schweiz leistet.»
Prof. Dr. Heinz Müller, Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum

«Die Unterstützung und die Förderung von jungen Talenten in der wissenschaftlichen Forschung ist die Pflicht einer jeden Gesellschaft, die ihre Zukunft gut vorbereiten will.»
Gabriele Gendotti, SNF

 

Mach mit!

Beschäftigst du dich in der Freizeit mit einem Thema, das du gerne wissenschaftlich untersuchen möchtest? Hast du am Gymnasium oder in der Berufslehre selbständig eine Forschungsarbeit (Maturaarbeit, Vertiefungsarbeit) verfasst, die du gerne weiterverfolgen möchtest? Dann mach mit am Nationalen Wettbewerb von Schweizer Jugend forscht.

Mehr Informationen dazu gibt es auf der Website von SJF.