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Sprachassistenzen – Gewinn hoch drei

Im Fremdsprachenunterricht zählen viele Lehrpersonen auf die Unterstützung von Sprachassistenzen. Das Angebot bietet sowohl für Lehrpersonen als auch für Schüler*innen viele Vorteile. Und nicht zuletzt profitieren auch die Sprachassistenzen von dieser Erfahrung.

23. März 2023

Sie befassen sich mit Verschwörungstheorien, Büchern und Politik. Sie lachen, spielen und lesen Comics. Und: Sie reden. Sie sprechen, debattieren, diskutieren, erzählen, plaudern.

Reden. Das ist im Kern das, wofür Sprachassistenzen an Zürcher Mittelschulen zum Einsatz kommen. Sie unterstützen Schüler*innen, ihre mündlichen Kompetenzen zu üben und zu verbessern. Gleichzeitig geben die Sprachassistenzen den Schüler*innen einen Einblick in die Kultur ihres Heimatlandes und geben so der Fremdsprache einen lebendigen Kontext.

Claira Lea, gebürtige Kanadierin mit Schweizer Wurzeln, ist an den Kantonsschulen Limmattal und Enge als Sprachassistentin für Englisch tätig.  Ihre Rolle beschreibt sie so:

Meine Hauptaufgabe ist es, die Schüler*innen dabei zu unterstützen, dass sie gerne und selbstsicher sprechen.

Die Organisation Movetia ist erste Ansprechpartnerin für Interessierte

Das Sprachassistenzprogramm wird von der Organisation Movetia betreut. Diese rekrutiert und vermittelt in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen im Ausland die Sprachassistenzen. Sie ist die erste Ansprechpartnerin für Interessierte – Studierende, Studienabgänger*innen, angehende Lehrpersonen mit Muttersprache Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch oder Spanisch. Sie werden in allen Schweizer Sprachregionen, in Mittelschulen, Berufsfachschulen oder Berufsmaturitätsschulen eingesetzt.

Personen, die sich für die Tätigkeit als Sprachassistenz interessieren, bewerben sich bei einer Partnerorganisation von Movetia in ihrem Herkunftsland oder direkt bei Movetia. Sie dürfen Wünsche anbringen, wo sie leben und arbeiten wollen und auch die Schulen können ihre Präferenzen mitteilen. Movetia verteilt die Dossiers auf die Schulen, diese führen die Bewerbungsgespräche und übernehmen alles Administrative für die Anstellung.

Das Pensum ist für alle Sprachassistenzen gleich: sechzehn Lektionen pro Woche, was in etwa einer 60-Prozent-Stelle entspricht. Je nach Grösse der Schule arbeiten sie an einer Schule oder teilen ihre Stunden auf verschiedene Schulen auf.

Frei in der Unterrichtsgestaltung und doch im Austausch

Sprachassistenzen arbeiten meist mit Halbklassen oder kleinen Gruppen. Während die Lehrperson die eine Halbklasse unterrichtet, tauchen die Sprachassistenzen mit der anderen Hälfte der Klasse in die Konversation ein. Den genauen Inhalt der Lektionen sprechen die Sprachassistenzen mit den Lehrpersonen ab, sie sind aber grundsätzlich frei in der Gestaltung des Unterrichts. 

Mireille Huguenin ist Französischlehrerin an der Kantonsschule Uster und dort auch Beauftragte für Sprachassistenzen. In dieser Funktion ist sie Ansprechpartnerin von Movetia und betreut die Sprachassistent*innen von der Bewerbung bis zum Austritt.  Auch sie selber zählt in ihrem Unterricht auf die Unterstützung durch Sprachassistenzen: «Ich plane den Unterricht zum Teil zusammen mit der Sprachassistenz. Wenn ich zum Beispiel ein Buch lese mit den Schüler*innen, dann kann die Sprachassistenz dazu etwas machen. Oder sie vertieft ein Grammatikthema.» Sie sei aber immer offen für die Ideen der Assistenz.

Alexandra Sotirakis war während zwei Jahren an der Kantonsschule Uster Sprachassistentin für Französisch, unter anderem bei Mireille Huguenin. Die Französin hat Kunstgeschichte studiert, promoviert und unterrichtet. Sie erinnert sich gerne an ihre Zeit in Uster:

Ich war ziemlich frei in der Gestaltung meines Unterrichts und konnte spannende künstlerische und kulturelle Projekte mit den Schüler*innen durchführen.

Neben der Sprache findet auch die Kultur ihren Platz

Die Schüler*innen profitieren vom Unterricht mit den Sprachassistenzen, darin sind sich Claira Lea, Alexandra Sotirakis und Mireille Huguenin einig. Zum gleichen Schluss kommt eine Studie der PH Bern aus dem Jahr 2018. Sie zeigt, dass das Programm bei den Mittelschüler*innen Anklang findet und insbesondere die mündliche Fremdsprachenkompetenz gefördert wird. Auch wenn die Autorinnen an vielen Stellen Verbesserungspotenzial ausmachen, zeigt die Studie ebenfalls, dass ein Grossteil der Schüler*innen der Meinung ist, dass sie sich durch die Sprachassistenzen auch kulturelles und landeskundliches Wissen angeeignet haben.

«Wir bringen kulturelles und implizites Wissen aus unserem Herkunftsland mit», bestätigt  Sotirakis und ergänzt: «Ich habe mich mit Themen befasst, die französische Jugendliche interessieren, damit ich mit meinen Schüler*innen hier in der Schweiz darüber sprechen kann. Dabei habe ich selber auch viel gelernt.»

Fremdsprachen gibt es nicht nur im Schulzimmer

Eine Erfahrung, die auch Claira Lea machte. Sie sagt, sie hätte auch die eigene Muttersprache noch einmal neu kennengelernt. «Mein Englisch war noch nie so gut!», sagt sie lachend. Sie lerne aber auch viel von den Jugendlichen und habe eine gute und nahe Beziehungen zu ihnen entwickelt. Sie erfährt, welche Themen die Schüler*innen beschäftigen und diskutiert mit ihnen über Politik, Gesellschaft – und die eingangs erwähnten Verschwörungstheorien.

Das kontroverse Thema habe sie mitgebracht, weil es für Diskussionen sorge, erzählt sie. Sie wolle vor allem erreichen, dass alle sich trauen, in der Fremdsprache frei zu sprechen – und auch mal Fehler zu machen.

Sie sollen erfahren, dass Sprachen ihnen das Leben erleichtern und verschönern.

Ein Anliegen, das sie mit Französischlehrerin Huguenin teilt. Diese will ihren Schüler*innen zeigen, dass das Französische auch ausserhalb des Schulzimmers existiert und ihnen ermöglichen, die Sprache vielseitig auszuprobieren. Das gelingt auch dank der Sprachassistenzen.

Ein Programm mit vielen Vorteilen

Auch sonst sieht Huguenin fast nur Vorteile beim Programm:

«Ich habe grosse Klassen, bis zu 28 Schüler*innen und es ist unmöglich, mit allen einzeln zu reden. Es gibt die Extrovertierten, die Schüchternen und es gibt verschiedene Dynamiken in den Klassen. Mit den Halbklassen und in Zusammenarbeit mit den Sprachassistenzen wird die Anzahl Schüler*innen kleiner, es gibt andere Dynamiken und so kann man gezielter auf einzelne Jugendliche eingehen. Auch die Schüchternen trauen sich zu sprechen.»

Der Unterricht werde vielseitiger und kreativer, ist sich Huguenin sicher. Gleichzeitig brauche es aber auch mehr Koordination und Flexibilität von allen Beteiligten. Aber auch das sieht die Französischlehrerin positiv: Da einige Sprachassistenzen an mehreren Schulen gleichzeitig arbeiten, ergäbe sich auch ein schöner Austausch zwischen den Mittelschulen im Kanton.

Claira Lea und Alexandra Sotirakis ziehen ebenfalls ein durchwegs positives Fazit. Lees Zeit als Sprachassistentin wird im Sommer nach einem Schuljahr enden, sie geht zurück nach Kanada und schliesst ihr Soziologie-Studium ab. Danach will sie zurück in die Schweiz kommen. Sotirakis hat ihren Vertrag in Uster einmal verlängern können, danach wechselte sie Schule und Kanton und arbeitet heute als Sprachassistentin an einer Schule im Kanton Zug. Gleichzeitig absolviert sie das höhere Lehramt – sie hat im Programm Feuer gefangen und will in der Schweiz als Lehrperson arbeiten.