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Auf Besuch an der KZU: Stadthahn trifft Landei

Bülach? Wo liegt das? Eine Frage, die nur einer stellen kann, der keine Ahnung hat. Einer aus Zürich oder von dort irgendwo. Ein typischer Stadtgockel eben, der Beton vor dem Kopf hat und nicht versteht, was da draussen an der KZU so alles abgeht. Oder doch?

31. August 2022

Um bei den Fakten zu bleiben: Bülach liegt am Fuss des Dättenbergs und umfasst neben der eigentlichen Stadtsiedlung mit mittelalterlichem Kern die Ortschaften Eschenmosen, Nussbaumen und Heimgarten. Die Stadt zählt rund 23'000 Einwohner*innen, ist Hauptort des gleichnamigen Bezirks und das wirtschaftliche Zentrum der Region Zürcher Unterland. Und auch die Bildung ist prominent vertreten: Neben Primarschule und Oberstufe finden sich hier die Berufsschule, die Berufswahlschule und, natürlich, die Kantonsschule Zürcher Unterland (KZU). Rund 1000 Schüler*innen, 150 Lehrpersonen und 30 Mitarbeitende gehen hier täglich ein und aus – und bilden gemeinsam ein Kollektiv, dem eine ganz eigene Kraft innewohnt.

Freundschaften fürs Leben

«Was die KZU für mich einzigartig macht, ist die enorme Verbundenheit mit der Schule», sagt Roland Lüthi.

«Ganz gleich, ob Schüler*innen, Lehrpersonen oder Mitarbeitende: Wer einmal an der KZU war, bleibt ihr ein Leben lang treu. Ich denke da an all die Freundschaften, die hier begannen, die vielen Erinnerungen, die jeder und jede von hier mitnimmt, aber auch an den wertschätzenden, respektvollen Umgang miteinander. Oft kommt es vor, dass ehemalige Schüler*innen als Lehrpersonen zu uns zurückkehren und am liebsten gleich hierbleiben würden. Wir sagen dann jeweils: Stoss dir doch erst mal die Hörner ab und geh raus, in eine andere Schule, in ein anderes Land, in einen anderen Beruf. Und dann komm zurück und nimm all die Erfahrungen mit, die du gemacht hast. Darauf freuen wir uns.» Roland Lüthi

Wie gross die Verbundenheit mit der KZU ist, zeigt sich unter anderem im November, wenn die Schule ihren Maturand*innen mögliche Studienrichtungen vorstellt. Dazu der Rektor: «Die Präsentation übernehmen junge Ehemalige, die im Studium sind. Und alle, wirklich alle wollen dabei sein. Da heisst es dann: Ethnologie? Das müsst ihr doch vorstellen. Ich mach das gerne!»

Oder das Kantifest, das früher alle fünf Jahre stattfand und irgendwann aus dem Ruder lief, weil einfach zu viele Leute kamen. Einmal füllten über 4000 Teilnehmenden den Campus bis auf die letzte Grasnarbe und sprengten den Rahmen vollends. Seither gibt es regelmässig Hausfeste, die etwas bescheidener daherkommen, für viele Ehemalige aber immer noch ein wichtiger Anlass sind, um die Zeit zurückzudrehen und einen Abend lang in Erinnerungen zu schwelgen.

50 Jahre KZU

Im laufenden Schuljahr feiert die KZU ein ganz besonderes Jubiläum: Sie wird fünfzig Jahre alt, und es scheint ganz so, als könnte ihr das Alter nichts anhaben. Mag sein, dass das Schulhaus von der Architektur der Siebzigerjahre geprägt und etwas in die Jahre gekommen ist. Die Menschen, die hier ein- und ausgehen, sind aber allesamt jung oder zumindest jung geblieben. Was war, ist schöne Erinnerung, doch was in Bülach wirklich zählt, ist das Jetzt und alles, was kommt.

Natürlich hat sich die Schule bereits Gedanken zum Jubiläum gemacht. «Eine grosse ‹Kiste› kam für uns nicht in Frage», sagt Roland Lüthi. «Das ist weder ökologisch tragbar, noch macht es inhaltlich Sinn. Deshalb haben wir beschlossen, das Schuljahr zu einem Festjahr mit vielen kleineren Anlässen zu machen. Damit wir auch hier ein Zeichen setzen können, besteht das OK aus lauter Menschen, die noch nie ein solches Fest gestemmt haben. Wir verlassen damit vielleicht die Komfortzone, erhoffen uns davon aber jede Menge Inspiration und Lebendigkeit.»

Das Opening hat bereits stattgefunden. Unter freiem Himmel trafen sich auf dem Campus lauter Gestalten, die so aussahen, als hätte sie ein Zeitmaschine ausgespuckt. Im Hippie-Style rauschten sie heran, mit langen Haaren, John-Lennon-Brillen und indischen Gewändern, die auch in Woodstock eine gute Figur gemacht hätten. Und so wird es über das ganze Jahr weitergehen – mit einem grossen Abschluss-Event vor den Sommerferien. «Ideen dafür gibt es bereits», sagt der Rektor, «gut möglich, dass wir die Tartanbahn abdecken und alle tausend Teilnehmenden einen Kreis bilden lassen. Ganz im Stile von Asterix, wo das ganze Dorf zum Schluss im Kreis zusammensitzt und zuschaut, wie in der Mitte das Wildschwein gegrillt wird – einfach ohne Wildschwein.»

Gelebte Diversity

Eine andere Idee wäre ein Street Food-Festival mit verschiedenen Ständen und Spezialitäten aus ganz unterschiedlichen Kulturen. Roland Lüthi steht auch diesem Projekt sehr positiv gegenüber: «Ein Grund für das gute und respektvolle Zusammenleben an der KZU ist sicher auch, dass bei uns Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen zusammenfinden. Viele kommen aus bildungsfernen Familien zu uns, tun sich schwer mit der Sprache und müssen lernen, sich in der Schweiz zu integrieren. Das heisst aber noch lange nicht, dass sie nicht das Zeug dazu hätten, bei uns am Gymnasium zu sein. Im Gegenteil: Das sind tolle junge Menschen, die unsere Gemeinschaft beleben und viel dazu beitragen, dass wir uns daran gewöhnen, die Welt auch mal mit anderen Augen zu betrachten.»

Um die Chancengleichheit zu erhöhen, hat sich die Schule etwas Besonderes einfallen lassen. «Wenn neue Schüler*innen zu uns kommen, analysieren wir immer zuerst ihre Aufnahmeprüfungen. Da gibt es solche mit ungenügenden Deutschnoten und andere mit ungenügenden Mathematiknoten. Um sie zu fördern, bieten wir ihnen kostenlose Zusatzlektionen an. Damit das alles Hand und Fuss hat, müssen sich die Schüler*innen per Unterschrift verpflichten, die Lektionen auch wirklich zu besuchen – als obligatorische Pflichtstunden. Dieses System bewährt sich sehr gut, und oft kommt es vor, dass auch Schüler*innen, die nur knapp genügend sind, freiwillig daran teilnehmen wollen.»

Wie war das nochmal mit dem Landei? Ist das nun die Unschuld vom Land oder doch eher die selbstbewusste Institution, die Jugendlichen einer ganzen Region eine Heimat bietet? Begriffe wie Verbundenheit, Zusammenhalt und Solidarität fallen im Gespräch immer wieder, man nimmt Rücksicht und gibt acht, und wenn es jemandem nicht gut geht, sind die anderen da. Vielleicht ist das einfach so, wenn sich alle kennen. Aber so selbstverständlich, wie die KZU ihre Gemeinschaft pflegt, geht es bei weitem nicht überall zu und her.

Der Stadthahn reibt sich die Augen, gibt sich geläutert und zieht von dannen. Ab nach Hause.