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Wie geht Studienberatung?

In die Studienberatung kommen Schüler*innen häufig ohne allzu konkrete Vorstellungen. Wenn sie nach ihren Anliegen gefragt werden, antworten viele, sie möchten «einfach mal schauen» oder «mit jemandem sprechen». Was kann Beratung leisten und wie läuft diese ab? Der Versuch einer Antwort.

15. September 2021

In Gesprächen über die Studienwahl geht es meist um ähnliche Themen: «Was passt?», «Plan B?» oder «Etwas Neues». Die Situationen und Lösungswege hingegen sind sehr individuell, so individuell wie die Schülerinnen und Schüler. Es gibt Schülerinnen, die sich in einem veritablen Entscheidungskonflikt befinden, zum Beispiel zwischen einer verlockenden, aber vermeintlich brotlosen Option, und einer ökonomisch attraktiveren Wahl. Es gibt Schüler, die haben sich auf etwas festgelegt, aber ihr Umfeld zweifelt, ob die Wahl wirklich passt. Es gibt solche, die haben alles minutiös durchgedacht, gedreht und gewendet – im Kopf. Wie die Realität draussen aussieht? Keine Ahnung!

Manche sind sorglos und stellen erst zwei Wochen vor Anmeldeschluss fest, dass sie sich mit der Studienwahl hätten beschäftigen sollen. Manche spüren nicht, was ihnen guttut und ob ihnen etwas wirklich gefällt. Manche zweifeln an ihren Fähigkeiten oder befürchten, sie seien zu wenig belastbar. Manche brauchen eine Pause. Manche sind nicht sicher, ob sie einfach das tun, was andere von ihnen erwarten. Anderen fällt grundsätzlich jede Entscheidung schwer. Und, und, und. Ihnen allen gemeinsam ist häufig die Angst, einen Entscheid zu fällen, den sie später bereuen könnten.

Der Wunsch nach einer raschen Lösung

Angst ist ein wunderbares Gefühl. Angst schützt! Sie schützt auch vor einer vorschnellen oder unpassenden Studienwahl. Die Wahl einer Ausbildung ist ein Entscheid, der das eigene Leben und die Zufriedenheit stark prägen kann. Da stellen sich so viele Fragen: Weiss ich, ob das, was mir jetzt zusagt, mich auch in einigen Jahren noch interessieren wird? Werde ich Erfolg haben? Welche Berufe stehen mir nach einem Studium offen? Welche von zwei oder drei favorisierten Möglichkeiten macht mich glücklicher? Die Beantwortung solcher Fragen ist nicht einfach und braucht vor allem eines: Geduld! Im Gespräch geht es oft darum, unnötigen Druck abzubauen.

In einer Zeit, in der für Unternehmen Quartalsabschlüsse zählen und die Veränderungen der Arbeitswelt rasant voranschreiten, ist die Studienwahl kein einfaches Unterfangen. Von Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird trotz all der Unsicherheiten, was die Zukunft bringen wird, sozusagen verlangt, eine Zehn-Jahres-Planung vorzulegen. Das ist für viele Schüler*innen eine überfordernde und auch belastende Aufgabe. Die Studienwählenden und ihr zuweilen mitfieberndes Umfeld äussern daher vielfach den Wunsch nach einer raschen Lösung, um das Problem so bald als möglich «loszuwerden».

Eine Reise, die Zeit braucht

Rasche Lösungen führen irgendwo hin, aber selten zum Ziel. Es ist daher wichtig, sich über die eigenen Interessen, Fähigkeiten, Werte und Wünsche klarer zu werden. Wer beispielsweise wenig Interesse für rechtswissenschaftliche Themen und Fragen mitbringt, dieses Studium aber in Betracht zieht, um später einen sicheren und einträglichen Beruf ausüben zu können, irrt sich möglicherweise sehr. Interesse ist ein Erfolgsfaktor. Wenn Interesse und Motivation fehlen, ist auch der Erfolg im Studium oder im Beruf stark in Frage gestellt. Dennoch ist der Wunsch nach einer finanziell sicheren beruflichen Zukunft wichtig und berechtigt. Aber vielleicht ist die Lösung eine andere. Nicht die Wahl eines Studiums, das zwar ein hohes Einkommen verspricht, aber nicht interessiert, sondern vielmehr die Suche nach beruflichen Möglichkeiten im interessierenden Studiengebiet, welche genügend finanzielle Sicherheit bieten könnten. Da kann Beratung helfen, geeignete Perspektiven aufzuzeigen.

Das Thema Sicherheit ist nur ein Beispiel. Bei der Studienwahl geht es um eine vertiefte Auseinandersetzung mit sich selbst und den Möglichkeiten, das eigene Leben zu gestalten. Am Anfang der Beratung steht sozusagen ein Schild mit der Aufschrift:

«Hier beginnt eine Reise.» Und im Untertitel: «Nehmen Sie sich dazu die Zeit, die es braucht, und bleiben Sie neugierig.»

Die Beratung ist eine Gelegenheit, diesen spannenden Prozess anzustossen.

Fragen ermöglichen neue Einsichten

Eine Studienwahlberatung umfasst manchmal einen, meistens zwei und manchmal drei oder mehr Termine. Der Entscheidungprozess läuft nicht nur innerhalb, sondern zum grossen Teil auch ausserhalb der Beratungsgespräche. Resultate einer Beratung sind neben Antworten daher auch neue Fragen und «Ufzgi». Das klingt ganz pragmatisch, was keinen Gegensatz zu einer prozesshaften und vertieften Auseinandersetzung darstellt. Ein ganzer «Werkzeugkoffer» mit Informationsportalen, Tests und Arbeitsmitteln steht zur Verfügung. All diese methodischen Möglichkeiten dienen dazu, für die Entscheidung hilfreiche und relevante Grundlagen zu erarbeiten.

Egal, welche Methoden zur Anwendung kommen, für Berater*innen besteht die grosse Kunst darin, die richtigen und wesentlichen Fragen zu stellen. Fragen, die den Entscheidungsprozess voran bringen können. Fragen, die einen Unterschied machen. Ziel ist es stets, den Ratsuchenden neue Sichtweisen und Einsichten zu ermöglichen.

Für Studienwählende, die beispielweise dazu neigen, alles «durchzudenken», kann es hilfreich sein, vom «Kopfkino» wegzukommen und mehr über Studienalltag und -realität zu erfahren. In diesem Fall die Curricula zweier Studiengänge recherchieren und sich fragen: «Was gefällt mir ganz konkret nun besser? Um welche Inhalte und Themen geht es in dieser oder jener Vorlesung? Mit welchen Forschungsfragen beschäftigt sich mein Fach?» Oder beim Besuch einer Schnuppervorlesung die Frage: «Möchte ich mehr davon? Hat mir die Vorlesung des Fachs A oder des Fachs B besser gefallen? Weshalb?»

Für die Beantwortung von Fragen sind Informationen zentral. Berater*innen sind zwar keine Datenbank, wissen aber, wo welche Informationen verfügbar sind, und vor allem: Wann welche Art von Informationen helfen könnten, einen Schritt weiterzukommen.

Richtungsänderungen sind möglich

Die Berufs- und Studienwahl zählt zu den wirklich grossen Entscheidungen im Leben. Da ist es gut zu wissen, dass man nicht nur einsteigen, sondern auch wieder aus- und -umsteigen kann. Nicht nur die Studienwahl entscheidet die eigene berufliche Zukunft, sondern auch das, was nachher kommt. Es geht somit nicht um einen Entscheid fürs gesamte Berufsleben. In der heutigen Arbeitswelt ist es durchaus üblich, in der beruflichen Laufbahn neue Richtungen einzuschlagen. Solche Kurswechsel sind nicht immer mit Weiterbildungen oder sogar einer Zweitausbildung verbunden. Die im Studium erarbeiteten überfachlichen Kompetenzen erlauben den Einstieg in ein neues Berufsfeld vielfach mit einer Einarbeitung «on the Job».

Es gibt zum Beispiel den Informatiker, der seinen Beruf als nicht erfüllend erlebt und sich später für den Quereinstieg in den Lehrberuf entscheidet. Und es gibt die Lehrerin, die zur Schulinformatik und dann ganz zur Informatik wechselt. Solche Veränderungen sind möglich. Das heisst nun nicht, dass die Entscheidung für die (Erst-)ausbildung nicht wichtig wäre. Im Gegenteil! Es kommt sehr darauf an, gut ins Studium und ins Berufsleben zu starten. Gut bedeutet zu einem wesentlichen Teil, sich die Freude an Ausbildung und beruflicher Tätigkeit bewahren zu können.

Findet mich das Glück?

Ob das Berufsleben zu Zufriedenheit oder gar Glück führt, ist eine fast schon philosophische Frage.Auf dem Weg zum Glück existiert keine «Checkliste», die einfach abgearbeitet werden könnte. Das Künstlerduo Fischli/Weiss brachte es genial auf den Punkt, mit ihrer Frage: «Findet mich das Glück?» Glück befindet sich manchmal ganz unerwartet woanders.

Mal ganz ehrlich: Wenn Berufstätige gefragt würden, ob ihr Beruf Sie glücklich macht, wie viele würden dann ohne Zögern antworten: «Ja klar, ich bin glücklich in meinem Beruf und arbeite mit Leidenschaft.» Wohl eine Minderheit. Eine Mehrheit würde vermutlich sagen, dass sie ihren Beruf gerne ausüben und zufrieden sind. Das ist schon viel!

Die Erwartung, das eine, das wirklich passende Studium zu finden, ist ein hochgestecktes Ziel, an dem sich nicht wenige Mittelschüler*innen abarbeiten. Ein Studium finden und wählen, das stimmig ist und den eigenen Kriterien «gut genug» entspricht, ist ein bescheideneres, aber realistisches Ziel. Wohin die Reise führt? Das ist offen. Denn Beratung ist ergebnisneutral – zum Glück!

Angebote der Studien- und Laufbahnberatung

Die Studienberatung des Kantons Zürich​​​​​​​ ist zentral im biz Oerlikon angesiedelt. Von hier aus werden alle kantonalen Mittelschulen betreut. Bis zur Matura sowie bis zum vollendeten 20. Altersjahr sind Beratungen kostenlos.

Das Angebot im Überblick:

  • Studienwahl-Beratungen an den Gymnasien und/oder im biz Oerlikon
  • Beratungen zum Thema «Gymi: Ja/Nein» und zu Alternativen, falls es mit Fortsetzung des Gymi nicht klappt
  • Klasseninformationsveranstaltungen zum Thema Studienwahl für die Klassen vor dem Maturajahr
  • Diverse Workshops, z. B. Bewerbungsworkshops für Maturand*innen
  • Laufbahnberatungen für Studierende der Universitäten und Fachhochschulen sowie für Hochschulabsolvent*innen
  • Infothek biz Oerlikon mit Medien zu Studium und Beruf sowie Kurzberatungen in der Infothek
  • Informationsportal: www.berufsberatung.ch

An allen Zürcher Mittelschulen wurde ein Studienwahlfahrplan erstellt. Studienwahlveranstaltungen der Schulen und von Elternvereinen ergänzen das Angebot der Studienberatung.

Kontakt/Anmeldung für eine Beratung: www.zh.ch/studienberatung oder Tel. 043 259 97 00 (Sekretariat biz Oerlikon).