Dieser Beitrag erschien in:

Beruf: Adjunktin

Was macht eigentlich ein*e Adjunkt*in? Das weiss auf Anhieb niemand so genau. Bald aber wird klar, wie wichtig diese Position im Getriebe einer Kantonsschule ist. Zu Besuch bei Corinne Meyer-Wildhagen an der Kantonsschule Büelrain in Winterthur.

23. Juni 2021

Adjunkt*innen an Zürcher Mittelschulen gibt es seit gut zehn Jahren. Die damals neue Funktion entstammt dem Projekt «Führung und Organisation» der Bildungsdirektion – und wurde ins Leben gerufen, um die Schulleitungen zu entlasten. Deren anfängliche Skepsis gegenüber der zusätzlichen Stelle ist längst verflogen. Adjunkt*innen erfahren heute hohe Wertschätzung, da sie sehr viele Arbeiten übernehmen, die früher an der Rektorin und am Prorektor hängenblieben.

Die Schulen haben dabei alle Freiheiten, das Jobprofil selber zu definieren und an ihre eigenen Bedürfnisse anzupassen. Ganz gleich also, ob Hausvorstand oder Sicherheitsbeamtin, Assistent der Schulleitung oder Leiterin Zentrale Dienste, Sekretariatsverantwortliche oder Tontechniker: Unmöglich ist nichts.

Job mit Profil

Seit 1968 ist das Büelrain eine eigenständige Kantonsschule. Sie ging hervor aus dem Technikum Winterthur und musste 50 Jahre lang mit Baracken vorliebnehmen. Die einen liebten dieses leicht verstaubte Ambiente, die anderen sehnten sich nach einer Schule, die ihren Namen als moderne Bildungsinstitution auch wirklich verdient. 2019 kam es, wie es früher oder später kommen musste: Das ewige Provisorium machte einem nachhaltigen und in jeder Hinsicht umweltverträglichen Neubau Platz, der alles bietet, was eine gute Schule heute ausmacht.

Wie ein architektonisches Statement steht der Neubau im Raum und dominiert den Schulcampus. Seine klare Formsprache verweist nicht nur auf eine zeitlose Ästhetik, sondern auch auf die hohe Funktionalität des Gebäudes. Eine Freude, hier zur Schule zu gehen, denkt sich der Autor, und dies für alle gleichermassen: die Schulleitung, rund 80 Lehrpersonen, 700 Schüler*innen sowie gut 20 Personen aus Verwaltung und Hausdienst.

Und, natürlich, die Adjunktin. Corinne Meyer-Wildhagen ist seit 2011 am Büelrain, und von Anfang an war bei ihr alles ein bisschen anders. Finanzielle Führung? Verantwortung für das Sekretariat? Betreuung und Beurteilung des Verwaltungspersonals? Fehlanzeige. Ihr Jobprofil liest sich vielmehr wie die Biographie eines unsteten Wandervogels, der sich nicht festlegen will und immer mal wieder nimmt, was ihm das Leben zu bieten hat: Bauinfrastruktur, IT-Infrastruktur, Telefonie, Schliesssystem, Marketing und Kommunikation, Website und Social Media, Hausdienst, Stundenplan, Personalrekrutierung, Eventorganisation und COVID-Taskforce.

Bauleiterin und Chefdiplomatin

Corinne Meyer-Wildhagen erledigt all diese Jobs in Personalunion. Ihr Pflichtenheft ist prall gefüllt, aber genau das, sagt sie, macht ihre Arbeit so spannend und abwechslungsreich. Ein Glücksfall für die Schule war vor allem, dass sie so viel von IT versteht und dies jahrelang in der Privatwirtschaft und anderen Bildungsinstitutionen unter Beweis stellen konnte. Von Baumanagement jedoch stand nichts in ihrem CV.

«Mit dem Neubau wurde ich 2016 ins kalte Wasser geworfen», sagt sie, «aber das war für mich eine tolle Erfahrung. Ich konnte aktiv an der Planung und Projektierung teilhaben, vermittelte zwischen dem Projektteam (Architekten, Bauleitung, MBA, HBA) und den vielen internen Anspruchsgruppen und wurde schon bald so etwas wie die Schnittstelle von allem. Wenn ich die Interessen und Bedürfnisse der Schule vertrat, musste ich oft mit viel Fingerspitzengefühl vorgehen, um die gewünschte Lösung durchzusetzen.»   

Eine besondere Knacknuss war die IT-Infrastruktur. «Damit alles reibungslos funktioniert, mussten wir alle Access Points und LAN-Ports (über 700 alleine im Neubau) definieren, die Informatikzimmer richtig ausstatten und einrichten und dafür sorgen, dass der Aufwand für den Unterhalt möglichst gering bleibt. Und dann war da noch das Problem, dass zum Beispiel die Schülerarbeitsplätze in der Mediothek oder die Arbeitsplätze in den Fachschaftsbüros keine Stromanschlüsse hatten und wir alle verkabeln mussten. Ich mag die Stunden gar nicht zählen, die ich mit den Elektroplanern und Elektrikern und der schuleigenen IT verbrachte, um alles auf die Reihe zu kriegen.»

Das Schliesssystem als Schlüsselerlebnis

Wenn alles funktioniert, übersieht man gerne, wieviel Arbeit dahintersteckt. Doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Er legt Fallen, stört die Abläufe und gibt sein Bestes, damit alles, was schiefgehen kann, auf tatsächlich schief geht. Gerne hätte er sein Unwesen auch beim elektronischen Schliesssystem getrieben. Da regelt ein extrem umfangreiches Programm die Abläufe, regelt über Badges die individuellen Zutrittsberechtigungen, überwacht die Schliessung der Aussentüren und registriert jede einzelne Öffnung einer Tür. «Ich habe mich tagelang mit komplizierten Plänen herumgeschlagen und musste mich in das System hineindenken, um seinen Mechanismus zu verstehen», sagt die Adjunktin, «erst dann war ich selber handlungsfähig und konnte rechtzeitig eingreifen, wenn der Teufel wieder einmal an die Tür klopfte.»

Heute funktioniert alles reibungslos. Ein Klumpenrisiko aber bleibt. «Zurzeit bin ich die Einzige, die das Schliesssystem an unserer Schule wirklich versteht. Zum Glück konnte ich vor kurzem einen Assistenten für den IT-Support einstellen, den ich jetzt sukzessive mit dem Schliesssystem vertraut mache und die Verantwortung so auf zwei Schultern verteile. Dieser Prozess ist für uns beide ein wahres Schlüsselerlebnis.»

Das volle Programm

So befrachtet das Arbeitspensum zu Zeiten des Neubaus war, so nahtlos setzt sich dies im ganz normalen Schulalltag fort. Zum Beispiel das Inventarisierungsprogramm: «Wir haben ein System programmieren lassen, das genau unseren Bedürfnissen entspricht und jedem Gerät einen Barcode zuweist. So wussten die Lieferanten genau, welches Gerät in welchen Raum gehört, und wir haben jederzeit den genauen Überblick über das gesamte Inventar.»

Oder Marketing und Kommunikation: «Ich mache alles, was den Auftritt nach aussen betrifft – von der Website und Social Media über Events und Apéros bis hin zu den Vermietungen an Dritte. Wegen Corona ist der Aufwand dafür sehr viel grösser geworden. Die Volkshochschule ist jetzt bei uns, der ASVZ Winterthur in der Neubausporthalle und viele Vereine. Mit all den Schutzkonzepten, die ständig wechselten, hat mich dies stark gefordert.»

Und sonst? «Für die Schnuppertage und andere Anlässe habe ich ein Anmeldungstool für die Website entwickeln lassen, und für die Personalrekrutierung bin ich auch zuständig. Da bereite ich die Dossiers vor, mache eine erste Triage und bin bei Entscheidung meistens dabei.»

Point of no return

Wie hält man ein solches Pensum auf die Dauer aus? Was passiert mit einem, wenn man nicht mehr abschalten kann und die Arbeit den Schlaf, die Gelassenheit und das Privatleben auffrisst? Wann ist der Punkt erreicht, an dem nichts mehr geht? «Im vergangenen August war ich völlig am Anschlag und hatte ein Burnout. Erste Anzeichen spürte ich zwar schon im Winter. Ich dachte aber, ich müsse nur noch bis im April durchhalten, da ich dann – in Absprache mit der Schulleitung – fünf Wochen Ferien machen und etwas Distanz gewinnen wollte. Aber dann kam der Lockdown, und alles wurde noch viel schlimmer.»

An Sonne und Meer war nicht mehr zu denken, und schon im Mai war Corinne Meyer-Wildhagen zurück auf ihrem Posten. Und dann hiess es: heute so, morgen anders, ein neuer Entscheid und wieder zurück, Maskenkonzept entwickeln, Zimmer neu einrichten, bis es einfach zu viel wurde. «Mir ging buchstäblich die Luft aus. Ich fühlte mich total gestresst, bis der Tag kam, der das Fass zum Überlaufen brachte: Ich sass nur da und konnte nicht mehr.»

Bis zu den Herbstferien war sie krankgeschrieben und kam danach über ein reduziertes Pensum langsam wieder zurück. Heute ist die Adjunktin wieder voll im Geschäft. Wie geht das? «Ich habe für mich viel verändern müssen, etwas gelassener werden, aber es ist schwierig. Wenn man ein Mensch ist, der sich engagiert und dem die Arbeit am Herzen liegt, ist man versucht zu sagen: Ich will es perfekt machen. Und beim Neubau lief ja alles perfekt. Es gab zwar ein paar Probleme mit der Komfortlüftung, aber die sind behoben. Meine Challenge jetzt besteht darin, einen Gang hinunterzuschalten statt immer noch mehr und noch mehr Gas zu geben. Bis jetzt gelingt mir das ziemlich gut.»

Das Vertrauen der Schulleitung ist hundertprozentig da. Das stärkt Corinne Meyer-Wildhagen den Rücken, wenn sie heikle Entscheide treffen muss, nimmt sie aber auch in die Verantwortung. Und die Sandwich-Position bleibt. Adjunkt*innen sind immer zwischen den Fronten und müssen dies aushalten. Aber genau diese Stärke ist es, die eine Schule weiterbringt. Und genau so sollte es sein.