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Die Klimajugend macht Theater

Greta Thunberg ist das Aushängeschild der Klimajugend. Nun ist sie auch Namensgeberin für ein Stück des Zürcher Schauspielhauses. Mit dabei: eine Schauspielerin und Maturandin der Kantonsschule Zürcher Oberland. 

27. April 2020

«Churz gseit: Mir versuufed alli!», unterbricht Betty ihre Freundin Alina. Diese zeichnet gerade eine Grafik an die Wandtafel, die zeigt, wie der Klimawandel immer rasanter fortschreitet. Betty solle gefälligst freundlicher sein, schiesst die Unterbrochene zurück und die beiden jungen Frauen liefern sich ein hitziges Wortgefecht.

Betty und Alina sind Mitglieder der Outreach-Gruppe; sie wollen uns motivieren, am Klimastreik teilzunehmen. «Ihr tschegged nöd, dasses da um oii Zuekunft gat!», schleudern sie uns entgegen. Die Gymischülerinnen haben sich mit Leib und Seele dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben. Claudio, der dritte im Bunde, ist eher verhalten. «Das mit em Streik chönd sich nur die vom Gymi leiste, det gats um nüt», lästert der Lehrling. Er selber hat andere Sorgen: Stress mit den Eltern, Stress im Job. Da ist das mit dem Klimawandel und dem Streiken zu anstrengend.

Zu anstrengend? Alina flippt aus und zählt die Szenarien auf, die uns erwarten, wenn wir nicht sofort aktiv werden. «Ich han jetzt Angst!»

Das Theater kommt ins Schulzimmer

Ich bin 37 Jahre alt, mein Banknachbar dürfte um die 60 sein. Wir sitzen mit rund 30 anderen Personen in einem Schulzimmer an der Kantonsschule Rämibühl. Doch der Schein trügt: Wir sind keine Kantischüler und Alina, Betty und Claudio heissen auch nicht wirklich so. Ihre richtigen Namen sind Julia, Lara und Roman und sie sind Schauspieler*innen. Wir befinden uns mitten im Theaterstück «Greta».

Das besondere: «Greta» wird nicht auf einer Bühne im Pfauen gezeigt, sondern im Schulzimmer. Manchmal als öffentliche Vorstellung, so wie jetzt, wenn sich die Zuschauer*innen am Eingang des Schauspielhauses treffen und gemeinsam ins Rämibühl pilgern.

Meistens aber wird das Stück in Schulzimmern, vor echten Schülerinnen und Schülern, mitten in einer Schulstunde aufgeführt. Dafür bestellt die Lehrperson «Greta» zu sich, die Schauspieler*innen platzen ins Schulzimmer und überrumpeln die nichtsahnenden Schüler*innen mit ihrem rasanten Spiel.

«Sie fühlts halt nöd»

Die Szenen sind intensiv, die Dialoge schnell, manchmal absurd. Mit vollem Körpereinsatz spielen Julia Berger, Lara Fuchs und Roman Kiwic: Sie springen auf die Schulbänke, rennen durchs Klassenzimmer, ballern mit Fakten zum Klimawandel um sich. Zugleich spielen sie normale Jugendliche – junge Menschen, die sich streiten, Selfies für Instagram machen und sich über ihre Eltern aufregen.

So wie Alina, die sich in Grund und Boden dafür schämt, dass ihr Vater sie im Jeep von einer Demo abgeholt hat. Alina wird als behütetes Töchterlein dargestellt, ist hochintelligent und eine brillante Rednerin. Gespielt wird sie von Julia Berger, einer Maturandin der Kantonsschule Zürcher Oberland, die sich auch im «echten» Leben für das Klima engagiert.

Auch Betty ist es mehr als peinlich, dass sich ihre Mutter keinen Deut um den Klimawandel schert. Was Claudio mit einem lakonischen «sie fühlt’s halt nöd» kommentiert. Er übrigens auch nicht.

«Greta» regt zum Nachdenken an

Diese Dilemmata sind charakteristisch für «Greta». Die Jugendlichen im Stück wissen selber nicht genau, wie sie mit dem Klimawandel umgehen sollen, was jede*r einzelne tun kann und soll. Sie liefern keine Lösungen, schwingen nicht die Moralkeule – und holen das Publikum genau damit ab.

«Es war authentisch, humorvoll und überraschend», fasst eine Zuschauerin begeistert zusammen. «Dass verschiedene Perspektiven eingebracht wurden – jene des Lehrlings, jene der Kantischülerinnen – das fand ich toll», fügt eine andere hinzu.

Es war authentisch, humorvoll und überraschend.

Nach 45 Minuten ist die Schulstunde zu Ende. Alina, Betty und Claudio werden wieder zu Julia, Lara und Roman und die Zuschauer*innen verschwinden mit vielen neuen Gedankenanstössen in der Nacht.

Über das Stück

«Greta« ist ein Theaterstück, das von Suna Gürler und Lucien Haug geschrieben wurde und von Suna Gürler inszeniert wird. Am 5. November 2019 feierte «Greta» an der Kantonsschule Rämibühl Premiere und wurde danach teils als öffentliche Vorstellung, teils als Klassenzimmerstück aufgeführt. Darsteller*innen: Julia Berger, Lara Fuchs und Roman Kiwic. Das Stück dauert gut 45 Minuten – so lange wie eine Schulstunde.