Schule geschlossen, Chatroom geöffnet – unterrichten während der Corona-Krise
Am 16. März wurden in der Schweiz alle Schulen geschlossen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Die Zürcher Mittelschulen stellten binnen weniger Tage auf digitales Lernen um. Lehrpersonen und Mitarbeitende berichten aus ihrem neuen Alltag.
1. Mai 2020
«Es ist eine Herkulesaufgabe, die verschiedenen Aufgaben ins Gleichgewicht zu bringen.»
«Einen Tag, bevor die Schulen geschlossen wurden, habe ich spontan mit meinen Klassen getestet, wie wir digital zusammenarbeiten könnten. An unserer Schule steckt der digitale Unterricht noch in den Kinderschuhen, deshalb schauten einige Kollegen etwas ungläubig, als ich diese Tests erwähnte. Doch schon in der darauf folgenden Woche wurde auf Fernunterricht umgestellt, mein Bauchgefühl bestätigte sich. Anfangs versorgte ich die Schüler*innen per E-Mail mit Aufträgen, stieg aber schnell auf Videokonferenzen um. So waren auch Gruppenarbeiten, Referate und sogar die gemeinsame Lektüre einer Euripides-Tragödie im Original möglich. Es ist nicht einfach, meine Aufgaben als Gymilehrer, ICT-Supporter, Familienvater, Lebenspartner und Student auszubalancieren, und es gilt, überall die Ansprüche herunterzuschrauben. Die Schulleitung hat jedenfalls die Leistungserwartungen besonnen relativiert und immer wieder klar kommuniziert, was jetzt am wichtigsten ist: dass möglichst viele möglichst gesund diese gewaltige Herausforderung meistern.»
Simon Küpfer, Latein und Griechisch, Kantonsschule Hohe Promenade
«Die Spontanität im Unterricht fehlt mir.»
«Ich war nicht besonders überrascht, als die Schulen geschlossen wurden und wir auf Fernunterricht umstellen mussten. Meine Arbeit als Englischlehrerin hat sich natürlich verändert, einiges ist aber auch gleich geblieben. Meine Unterrichtszeiten sind zum Beispiel dieselben wie früher, aber statt im Klassenzimmer findet der Austausch mit den Schüler*innen nun via Microsoft Teams statt. Dieses Tool gefällt mir sehr und ich kann mir gut vorstellen, auch später vermehrt damit zu arbeiten. Ich gebe den Schüler*innen verschiedene Aufgaben, die sie bis zur nächsten Lektion bearbeiten müssen. Sie mussten mir auch schon Sprachnachrichten senden, schliesslich ist die mündliche Beteiligung im Sprachunterricht wichtig. Von den Jugendlichen erfordert das digitale Lernen viel Eigenverantwortung, was nicht immer einfach ist. Alles in allem machen sie das aber sehr gut.»
Birgit Reinhardt, Englisch, Kantonsschule Hottingen
«Die erste Woche im Homeoffice war stürmisch.»
«Als die Schulen geschlossen wurden, war ich erleichtert. Endlich herrschte Klarheit. Meine Frau und ich richteten uns im Homeoffice ein, die beiden Kinder mussten auf Fernunterricht umstellen. Es brauchte ein paar Tage, um einen neuen Rhythmus zu finden. Als Familie, aber auch für mich selber. Wann bin ich für meine Kinder da, wann für meine Klassen, wann nehme ich die Aufgabe als Technik-Support wahr? Die Technik ist für mich an sich kein Problem, denn ich arbeite seit mehr als zehn Jahren digital und unterrichte seit drei Jahren papierlos. Und doch musste ich einige Male improvisieren und Neues ausprobieren. Da habe ich viel dazugelernt, ein positiver Nebeneffekt dieser Situation. Weniger positiv sind der fehlende direkte Kontakt zu den Jugendlichen, die Abhängigkeit von der Technik und die Tatsache, dass sich die Schere zwischen digital versierten und weniger versierten Lehrpersonen weiter geöffnet hat.»
Bruno Cappelli, Physik, Kantonsschule Zürcher Oberland
«Ich freue mich, wenn wieder Leben in die Mediothek kommt.»
«Ich arbeite erst seit einigen Monaten als Leiterin der Mediothek in Hottingen. Das Gute an der jetzigen Situation ist, dass ich mich ungestört und vertieft mit den Bibliotheksbeständen auseinandersetzen kann. Ich arbeite nach wie vor vor Ort und kümmere mich nun um jene Dinge, für die im laufenden Betrieb sonst kaum Zeit ist – Katalogoptimierungen, Bestandesrevision, Umzüge etc. Die Ausleihfristen habe ich alle bis Ende der Frühlingsferien erstreckt, es kann ja momentan niemand Medien zurückbringen. Als Mediothekarin bin ich nicht wirklich am Klassenleben beteiligt und fühle mich deshalb zurzeit isoliert. Es ist schon sehr still in der Mediothek. Ich muss allerdings auch nicht an elementare Verhaltensregeln erinnern.»
Monica Bronner, Leiterin Mediothek, Kantonsschule Hottingen