Auf die Plätze, fertig – Präsenzunterricht!

Am 8. Juni öffneten die Mittelschulen wieder ihre Pforten für den Unterricht vor Ort. Nach zwölf Wochen Fernunterricht gilt es beim Wiedereinstieg einiges zu beachten. Ein Augenschein an den Kantonsschulen Enge und Freudenberg sowie am Liceo Artistico zeigt, wie die Schüler*innen die neue Realität erleben.

12. Juni 2020

Pfeile hier, Anweisungen da, Schilder dort. Betritt man die Kantonsschule Enge, braucht man erst einen Moment, um sich zu orientieren. Blaue Pfeile weisen die Richtung, in die man gehen darf. Rote Stoppschilder machen darauf aufmerksam, wenn man sich in die falsche Richtung bewegt. Ein- und Ausgänge des Gebäudes sind klar als solche gekennzeichnet, «2-Meter-Abstand einhalten» und «Nicht stehen bleiben» mahnen Schilder allenthalben und Plakate des BAG erinnern auch den Letzten und die Letzte daran, dass in Zeiten von Corona neue Verhaltensregeln gelten. 

Die Türen zu den Klassenzimmern, in denen unterrichtet wird, stehen offen. Dennoch ist es ungewohnt ruhig in den Gängen. Bloss zwei Schüler*innen, die vom Sport dispensiert sind, sitzen etwas verloren an einem Tisch und unterhalten sich. Für Ramla (17) und Núria (16) ist heute der erste Schultag. Sie besuchen das 2. Gymi der Kantonsschule Enge und das seit Neuem in Halbklassen. «Es ist schon etwas komisch alles – ganz alleine zu sitzen, dass alle so weit weg sind und dass wir nur zu zwölft in der Klasse sind», erzählt Núria. Sie hätte es nicht weiter gestört, weiter zuhause unterrichtet zu werden und «mir die Zeiten selbst einzuteilen, ohne dass mir jemand im Nacken sitzt.» Ramla hingegen ist froh, endlich wieder in der Schule zu sein: «Ich stelle sehr viele Fragen und das geht einfach besser in Person als im Chat.» Beide haben sie sich gefreut, ihre Freund*innen wiederzusehen, beide vermissen aber ebenso das Ausschlafen, wie sie lachend erzählen – ein Aspekt, den alle befragten Schüler*innen hervorheben.

Die Wege zweier Lehrer kreuzen sich im Gang. «Na, gut angefangen?», fragt der eine den anderen. Ein Hauch von Aufregung liegt in der Luft; Vorfreude auf ein neues Kapitel. Der andere bejaht, sagt lachend etwas von «genereller Verwirrung» und geht seines Weges.

Zurück zum Präsenzunterricht – (fast) zurück zur Normalität 

An der Kantonsschule Freudenberg zeichnet sich ein ähnliches Bild wie an der Kanti Enge: Schilder erinnern an die Regeln und kennzeichnen die Laufrichtung, die Tische in den Gängen stehen weit auseinander, darauf kleben Zettel mit der Aufschrift «Max. 4 Personen pro Tisch», die Aufenthaltsräume sind ebenfalls mit der Maximalzahl Schüler*innen beschriftet und in der Mitte der Halle stehen mehrere Dispenser mit Desinfektionsmittel. Beschriftet sind sie mit: «Hände desinfizieren nicht vergessen. Private Fläschchen abfüllen verboten. Die Schule hat nicht unbegrenzte Vorräte.» Die Schüler*innen scheinen die Vorschriften durchaus ernst zu nehmen. Der guten Stimmung tut dies aber keinen Abbruch. Mehre Schüler*innen sitzen in kleinen Gruppen in der Haupthalle zusammen und besprechen animiert Texte zum Thema Glück. 

Darunter die Schüler*innen Gregor (14), Oliver (15) und Valeria (14). Sie sagen unisono, dass sie sich gefreut hätten, wieder in die Schule zu kommen und ihre Freund*innen zu sehen. Oliver fügt an: «Ich lerne in der Schule einfach mehr; zuhause habe ich weniger diszipliniert gearbeitet.» Für die drei hat sich dank ihres Alters von unter 16 Jahren nicht viel in ihrem Schulalltag geändert. Sie besuchen den Unterricht nicht in Halbklassen und müssen zwar von den Lehrer*innen, aber nicht untereinander Abstand halten.

Aus dem Liceo ertönt wieder Musik

Gleich neben den Kantonsschulen Enge und Freudenberg liegt das altehrwürdige Liceo Artistico. Die 17-jährige Schülerin Rahel spaziert an diesem regenverhangenen Tag mit ihrem Violinenkoffer durch den angrenzenden Park. «Ich fand den Start wirklich gut. Da das Schulhaus recht leer ist, war es nicht so hektisch. Diese Woche komme ich nur am Dienstag und Donnerstag zur Schule, nächste Woche die übrigen Tage. Diese Mischung finde ich sehr angenehm», sagt sie.

Aus den Räumen des Liceo ertönt Klaviermusik aus dem Film «Amélie», vor einem Gebäude vergleichen ein paar Schülerinnen die Länge ihrer kleinen Finger – welche Instrumente sie wohl spielen? – und vor einem Klassenzimmer warten ein paar andere in Grüppchen am Boden sitzend auf den Beginn des Unterrichts. Als sich weitere Schüler*innen zu ihnen gesellen wollen, merkt einer an, dass sie dann zu viele in einem Raum wären. Die Gruppe macht anstandslos kehrt und stellt sich nach draussen in den Nieselregen, um den Unterrichtsbeginn abzuwarten.